Was versteht man unter baurechtliche Abstandsflächen?
Wie nah darf mir der Nachbar mit seinem Hausneubau eigentlich auf die Pelle rücken? Muss ein Mindestabstand zwischen seinem und meinem Haus eingehalten werden? Und wenn ja, wie groß muss dieser Abstand dann eigentlich sein? Diese und ähnliche Fragen führen mitten hinein in die Thematik der baurechtlichen Abstandsflächen. Wie es die Bezeichnung ja bereits andeutet, geht es dabei tatsächlich um Abstände und um Flächen. Gemeint ist damit nämlich grundsätzliche jene Fläche vor einem Haus oder einem anderen Bauwerk, die unbedingt von Bebauung freigehalten werden muss.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Da ist zunächst einmal die Problematik des Lichts. Um nämlich ausreichend Tageslicht im eigenen Haus zu haben, ist ein gewisser freier Abstand zu anderen Objekten einfach unerlässlich. Es geht aber dabei auch die Belüftung des Gebäudes, also um die freie Luftzirkulation, und um Fragen des Brandschutzes. Vor allem aber ist eine Abstandsfläche hinsichtlich des sogenannten Sozialabstands von Bedeutung. Gemeint ist damit, dass Nähe in der Wohnbebauung zwar schön ist, die Privat- oder gar die Intimsphäre aber trotzdem gewahrt werden soll und muss. Der Nachbar soll mit mit seinem Haus eben gerade nicht allzu dicht auf die Pelle rücken, um dieses Bild hier noch einmal aufzugreifen.
Wo genau ist das alles eigentlich geregelt?
Das Bauordnungsrecht, unter das natürlich auch die baurechtlichen Abstandsflächen fallen, ist in Deutschland Ländersache. Folglich haben alle 16 Bundesländer ein eigenes Bauordnungsrecht, die sogenannten Landesbauordnungen. Die folgen zwar im prinzipiellen Aufbau einer Musterbauordnung (MBO) des Bundes, unterscheiden sich dann aber doch im Detail zum Teil erheblich. Ausgehend von der Empfehlung der MBO ist das Abstandsflächenrecht dabei grundsätzlich in Paragraph 6 der jeweiligen Landesbauordnung geregelt – im Bundesland Bayern etwa, das hier als Beispiel dienen soll, um den Sachverhalt und das Prinzip dahinter grundsätzlich zu verdeutlichen, in § 6 der Bayerischen Bauordnung (BayBO). In allen anderen Bundesländern finden sich analog dazu selbstverständlich ähnliche Regelungen.
Wie wird die Abstandsfläche berechnet?
Die Größe der Abstandsfläche zum angrenzenden Grundstück bemisst sich normalerweise nach der Wandhöhe (H) des jeweiligen Gebäudes. Vereinfacht ausgedrückt definiert sich die Wandhöhe als der Abstand zwischen der Bodenoberfläche des Grundstücks und dem Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut. In Bayern, um bei dem Beispiel zu bleiben, gilt dabei grundsätzlich, dass innerhalb einer Wohnbebauung die gesamte Wandhöhe (1H) als Abstandsfläche freigehalten werden muss. Ist die Wand also beispielsweise zehn Meter hoch, muss der Abstand zum Nachbargrundstück auch zehn Meter betragen. Grundsätzlich aber ist in Bayern unabhängig von der jeweiligen Wandhöhe ein Mindestabstand von drei Metern einzuhalten.
In Stein gemeißelt ist diese Abstandsregelung freilich dennoch nicht. Die Kommunen können nämlich durch eine entsprechende Satzung in ihrem Gemeindegebiet eine eigene, individuelle Regelung einführen. Meistens folgen sie dabei der im Vergleich zur BayBO deutlich weniger strengen MBO.
Die empfiehlt nämlich beispielsweise eine Abstandsfläche von lediglich 0,4H. Da die Abstandsfläche grundsätzlich immer auf dem eigenen Grundstück liegen muss, also auf dem des Bauherrn, und die Grundstücke aus Kostengründen zwischenzeitlich immer kleiner werden, ist eine eher lockere Abstandsflächenregelung natürlich ganz im Sinne der Grundstückseigentümer, weil sie dadurch einfach mehr Platz für die Bebauung haben.
Inwiefern sind baurechtliche Abstandsflächen relevant?
Mit der Problematik der baurechtlichen Abstandsflächen wird man als Bauherr vor allem während der Planungs- und Genehmigungsphase konfrontiert. Die zuständigen Bauämter kontrollieren im Vorfeld anhand der eingereichten Pläne genau, ob die vorgeschriebenen Abstände auch tatsächlich eingehalten werden. Freilich sind auch da Ausnahmen möglich und hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Entscheidend ist dabei nicht zuletzt, ob der Nachbar mit einer geringeren Abstandsfläche einverstanden ist. Ein ausführliche Beratung mit dem Architekten und Vertretern des Bauamtes ist deshalb zu empfehlen. Und natürlich sollte man auch das Gespräch mit dem Nachbarn suchen.