LG Frankfurt – Az.: 3/15 O 3/20 – Urteil vom 21.06.2021
Der Klageantrag zu 1) wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
Der Klageantrag zu 2) wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten vor allem restlichen Werklohn.
Die … beauftragte die Beklagte mit der Errichtung des Wohnquartiers „…“ über 7 bis 8 Vollgeschosse in der … Die Beklagte ihrerseits beauftragte am 15.08.2018 die Klägerin mit dem Gewerk Fliesenarbeiten für den „Bauteil C EG, 1.OG und 2.OG“ (Verhandlungsprotokoll, Bl.36 ff. d.A.). Neben der VOB/B wurde vereinbart, dass die Fliesenarbeiten als „Lohnarbeit auf Aufmass“ abzurechnen sind (Bl.40, 45 d.A.). Für eventuelle Stundenlohnarbeiten ist in den Ziffern 4.2.1. und 4.2.2. des Verhandlungsprotokolls bestimmt, dass die Klägerin arbeitstäglich Stundenlohnzettel einzureichen hat, die gemäß § 15 Abs. 3 VOB/B u.a. folgende Angaben enthalten müssen:
- das Datum …
- die genaue Bezeichnung des Ausführungsorts innerhalb der Baustelle
- die Namen der Arbeitskräfte, …
- die Art der Leistung, Beschreibung der Leistung …
- die geleisteten Arbeitsstunden je Arbeitskraft, …
Für andere Bauabschnitte hatte die Beklagte das Unternehmen … mit dem Gewerk Fliesenarbeiten beauftragt. … hatte seine Leistungen teilweise mangelhaft und teilweise gar nicht erbracht. Mit der Mängelbeseitigung bzw. Leistungserbringung beauftragte die Beklagte die Klägerin auf Tagelohnbasis von 40,00 EUR/Std. (Bl.153 d.A.). Bauleiter der Beklagten war Herr … Zudem hatte sie Herrn …über ein Drittunternehmen mit der Bauleitung beauftragt. Die Herren … und … beauftragten die Stundenlohnarbeiten (Bl.35, 370 d.A., vgl. Bl.173, 390 d.A.).
Seit Dezember 2018 rügte die Beklagte gegenüber der Klägerin immer wieder Mängel der Fliesenarbeiten in den Bauteilen A, B und C, setzte jeweils eine Frist zur Beseitigung und wies auf drohende Schadensersatzansprüche hin (Anlagenkonvolut B5, Bl.222 ff. d.A.).
Die Klägerin stellte Abschlagsrechnungen. Die Beklagte bezahlte die ersten fünf Abschlagsrechnungen und damit insgesamt 106.756,46 EUR. Auf die 6. Abschlagsrechnung vom 07.03.2019 (Bl.81 d.A.) und die 7. Abschlagsrechnung vom 09.04. 2019 (Bl.82 d.A.) zahlte die Beklagte nicht mehr. Letztere Rechnung setzt sich wie folgt zusammen:
1. Fliesenarbeiten
79.365,16 EUR ./. Bauleistungsversicherung 0,5 % 396,83 EUR ./. Nebenkosten 1,0 % 793,65 EUR
Zwischensumme
78.174,68 EUR ./. Sicherheitseinbehalt 10 % 7.817,47 EUR
Zwischensumme
71.150,87 EUR *
2. Leistung Stundenlohn
92.840,00 EUR
163.990,87 EUR ./. Abschlagszahlungen 106.756,46 EUR – Restforderung 57.234,41 EUR
(Anmerkung zu *: Insoweit müsste die Zwischensumme 70.357,21 EUR ergeben).
Mit der 7. Abschlagsrechnung setzte die Klägerin insgesamt 2.321 Lohnstunden an (= 92.840,00 EUR : 40,00 EUR/Std.).
Die zwölf eingereichten Stundenlohnzettel (Bl.373 ff. d.A.) betreffen den Zeitraum vom 05.11.2018 – 29.03.2019 und sind von Herrn …unterschrieben. Sie enthalten regelmäßig weder eine Bezeichnung des Ausführungsorts innerhalb der Baustelle noch eine Beschreibung der Leistung. Für die Zeit ab dem 10.12.2018 werden auch die Arbeiter nicht mehr namentlich benannt, sondern bloß Stunden angegeben. Nur auf den zwei Stundenlohnzetteln für den Zeitraum vom 12.11. – 21.11.2018 (Bl. 375, 374 d.A.), insoweit sind für vier Arbeiter je 64 Stunden angesetzt, sind folgende Vermerke aufgebracht: „Fliesen Restarbeiten ausgeführt in alle Wohnungen (2-39)“, ohne den Bauteil zu nennen.
Am 25.04.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit (Anlage B3, Bl.220 d.A.):
„Die … Stundennachweise entsprechen in keiner Weise den Anforderungen nach § 4.2.2. des Verhandlungsprotokolls …, sodass wir die in Rechnung gestellten Stundenlohnarbeiten nicht prüfen können. Damit es uns möglich ist, eine Prüfung zu vollziehen, bitten wir Sie, uns die Nachweise in der vereinbarten Form … vorzulegen, … spätestens bis 10.05.2019.
Sie werden dafür Verständnis haben, dass wir bis Vorlage der korrekten Nachweise keine weitere Zahlung leisten können.“
Am 24.07.2019 nahm die Beklagte die Fliesenarbeiten der Klägerin vorbehaltlich der in sechs Listen genannten Mängeln betreffend die Bauteile A, B und C ab (Anlagenkonvolut B1, Bl.176 ff. d.A.). Am 19.08.2019 stellte die Klägerin unter Berücksichtigung des von 10 % auf 5 % reduzierten Sicherheitseinbehalts eine um 3.908,73 EUR höhere Schlussrechnung (Bl.83 d.A.):
1. Fliesenarbeiten
79.365,16 EUR ./. Bauleistungsversicherung 0,5 % 396,83 EUR ./. Nebenkosten 1,0 % 793,65 EUR
Zwischensumme 78.174,68 EUR ./. Sicherheitseinbehalt 5 % 3.908,73 EUR
Zwischensumme 75.059,60 EUR *
2. Leistung Stundenlohn
92.840,00 EUR
167.899,60 EUR ./. Abschlagszahlungen 106.756,46 EUR Restforderung 61.143,14 EUR
(Anmerkung zu *: Insoweit müsste die Zwischensumme 74.265,95 EUR ergeben).
Die Beklagte setzte für einige Positionen betreffend die Fliesenarbeiten zu Ziffer 1. geringere Aufmaße an und kürzte infolgedessen die Schlussrechnung um 7.325,99 EUR auf 72.039,17 EUR (Anlagenkonvolut B2, Bl.190 f. d.A.). Die Vergütung für die Stundenlohnarbeiten zu Ziffer 2. setzte sie mangels Prüfbarkeit auf „0,- €“.
Die Klägerin hat einen „Nachweis Regiestunden“ für den Zeitraum vom 21.01. – 16.02.2019 vorgelegt (Bl.86-97 d.A.), mit dem unter Beifügung von Lichtbildern die jeweiligen Ausführungsorte bezeichnet und die Leistungen beschrieben sind.
Mit Schriftsatz vom 22.03.2021 hat die Klägerin behauptet, „man“ habe sich auf der Baustelle dahin geeinigt, es reiche aus, wenn die Stundenlohnzettel von dem jeweiligen Bauleiter gegengezeichnet und nicht immer alle Arbeiter mit Namen genannt werden würden (Bl.368 f. d.A.). Etwaige Mängel habe sie beseitigt (Bl.370 d.A.).
Nachdem die Klägerin die Klage teilweise (betreffend die Kosten der Creditreform von 1.219,40 EUR nebst Zinsen hieraus) zurückgenommen hat, beantragt sie nun, die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 61.143,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 30.154,41 EUR seit dem 22.03.2019, aus 27.080,00 EUR seit dem 24.04.2019 und aus 3.908,73 EUR ab Zustellung des Schriftsatzes vom 09.09.2019 zu bezahlen,
2. die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten für Rechtsanwalt … in Höhe von 1.642,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung des Mahnbescheides zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin sei überzahlt, da diese die in Rechnung gestellten Arbeitsstunden nicht nachgewiesen habe. Zudem habe sie (die Beklagte) einen Gegenanspruch von 43.624,56 EUR. Weil die Klägerin die Mängelbeseitigung verweigert gehabt habe, habe sie die Mängel im Wege der Ersatzvornahme von mehreren Drittunternehmen beseitigen lassen und hierfür von Juni 2018 – November 2019 eine Summe von 39.658,69 EUR aufbringen müssen – zzgl. einer 10 %-igen Geschäftsgebühr (Bl.166 ff. d.A.; Anlagenkonvolut B6, Bl.253 ff. d.A.; Rapportzettel vom 03.12. 2018 und 29.11.2019, Bl.350 und 349 d.A.). Die Beklagte hat die hilfsweise Aufrechnung mit diesem etwaigen Anspruch gegen die Klageforderung erklärt (Bl.174 d.A.).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des hiesigen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 29.03.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte (jedenfalls derzeit) keinen weiteren Vergütungsanspruch, da die Beklagte Abschlagszahlungen von 106.756,46 EUR geleistet hat.
Vorweg zu bemerken ist, dass die von der Beklagten für die Fliesenarbeiten zu Ziffer 1. in Ansatz gebrachten Aufmaße (Bl.191 d.A.) gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als von der Klägerin zugestanden anzusehen sind, so dass ihr hierfür unstreitig nur eine Vergütung von 72.039,17 EUR zusteht, die wie folgt zu kürzen ist:
Fliesenarbeiten 72.039,17 EUR ./. Bauleistungsversicherung 0,5 % 360,20 EUR ./. Nebenkosten 1,0 % 720,39 EUR
70.958,58 EUR
Die Werklohnklage betreffend die Stundenlohnarbeiten zu Ziffer 2. ist als derzeit unbegründet abzuweisen, da die Stundenlohnabrechnung der Klägerin unzureichend ist. Sie hat es versäumt, Stundenlohnzettel gemäß § 15 Abs. 3 S.2 VOB/B einzureichen, aus denen sich ergibt, welcher Arbeiter an welchem Ausführungsort welche Arbeiten an welchen Tagen mit wievielen Stunden erbracht hat, wobei die Arbeiten nachvollziehbar und detailliert zu beschreiben sind, dass eine Überprüfung des angesetzten Zeitaufwands durch einen Sachverständigen ermöglicht wird. Da die hiesigen Stundenlohnzettel unzureichend sind, ist es ohne Belang, dass diese seitens der Beklagten unterzeichnet worden sind (Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15.Aufl., Rn.1580; Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.06.2000 – 23 U 78/99, in: NZBau 2001, 27). Auch der Umstand, dass die Herren …und … Stundenlohnarbeiten angeordnet haben, entbindet die Klägerin nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Aufwand (Messerschmidt, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 7.Aufl., § 15 VOB/B, Rn.99).
Auch hilft der Klägerin die Behauptung, „man“ habe sich dahin geeinigt, es reiche aus, wenn in den Stundenlohnzetteln nicht immer alle Arbeiter mit Namen genannt werden würden, nicht weiter. Denn damit behauptet sie gerade keinen Verzicht der Beklagten für folgende Angaben, wie die genaue Bezeichnung des Ausführungsorts innerhalb der Baustelle, die Beschreibung der Leistung und die hierfür aufgewandten Arbeitsstunden. Der pauschale Vermerk auf den Stundenlohnzetteln für den Zeitraum vom 12.11. – 21.11.2018 „Restarbeiten … in alle Wohnungen“ (Bl.375, 374 d.A.) ermöglicht eine Nachprüfung des angesetzten Zeitaufwands ebenso wenig.
Schon deshalb ist der von der Klägerin für jene etwaige Einigung als Zeuge benannte Herr … nicht zu vernehmen. Zudem ist dieses Angriffsmittel, das sie lange nach Ablauf der Replikfrist und erst eine Woche vor dem Verhandlungstermin vorgebracht hat, nach §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 3, 277 ZPO nicht zuzulassen, da seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und sie (die Klägerin) die Verspätung nicht entschuldigt hat. Ohnehin ist dies mangels Vorbringen zu Zeitpunkt, Anlass und beteiligten Personen ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantritt.
Unter Berücksichtigung der erhaltenen Zahlungen verhilft es der Klägerin nicht zur (teilweisen) Begründetheit ihrer Werklohnklage, wenn man annehmen wollte, die Stundenlohnzettel für den Zeitraum vom 21.01. – 16.02.2019 (Bl.381 f. d.A.) würden in Zusammenschau mit dem „Nachweis Regiestunden“ (Bl.86 ff. d.A.) den erforderlichen Angaben genügen. Denn damit wären nur 552 Stunden, i.e. eine Vergütung in Höhe von 22.080,00 EUR belegt.
Demzufolge ist über die Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht zu befinden, so dass es dahinstehen kann, ob die Leistungen der Klägerin mangelhaft waren und ob die von der Beklagten aufgelisteten Kosten hierdurch veranlasst worden sind.
Unabhängig von vorstehenden Erwägungen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz etwaiger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Insoweit fehlt es an substantiiertem Vorbringen, ihr Prozessbevollmächtigter sei für sie bereits vor dem Mahnverfahren tätig geworden.
Mangels einer Hauptforderung hat die Klägerin auch keine Zinsansprüche.
Die Nebenentscheidungen resultieren aus § 91 ZPO bzw. § 709 S.1 und 2 ZPO.