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Gewährleistung – Nichteinhaltung der in der HOAI vorgesehenen Chronologie als Mangel

OLG Celle – Az.: 14 U 59/11 – Urteil vom 26.10.2011

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. Februar 2011 – Az.: 13 O 281/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben; denn der Kläger hat gegen den Beklagten den vom Landgericht ausgeurteilten Zahlungsanspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Ingenieurvertrag.

Der Kläger hat die geschuldete Leistung vollständig und mangelfrei erbracht.

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllt der vom Kläger erstellte Standsicherheitsnachweis die Anforderungen an die geschuldete Leistung nach § 64 HOAI. Das folgt aus dem vom Beklagten nicht angegriffenen Gutachten des Sachverständigen V., der ausgeführt hat, die von dem Kläger erbrachte Leistung enthalte für ein einfach gelagertes Bauvorhaben alle geforderten Elemente.

2. Die Leistung des Klägers ist auch frei von Mängeln.

a) Verfrühte Erklärung nach § 69 a Abs. 3 Nr. 3 NBauO und Nichteinhaltung der Chronologie des § 64 HOAI

Eine etwaig verfrühte Abgabe der Erklärung des Klägers nach § 69 a Abs. 3 Nr. 3 NBauO vom 30. April 2008 (Anlage B 2 / Bl. 37 d. A.) sowie die Nichteinhaltung der in der HOAI vorgesehenen chronologischen Reihenfolge der Grundlagenermittlung bis zur Ausführungsplanung einer Tragwerksplanung (Leistungsphasen 1 bis 5 des § 64 HOAI) stellen für sich genommen keinen Mangel der Leistung des Klägers dar.

(1) Es kann dahin stehen, ob die Erklärung des Klägers nach § 69 a Abs. 3 Nr. 3 NBauO vom 30. April 2008 (Anlage B 2 / Bl. 37 d. A.) verfrüht abgegeben wurde und deshalb den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllte. Denn in jedem Fall war die Erklärung im Ergebnis inhaltlich richtig und führte zu keinem Mangel. Die Standsicherheit des Bauwerkes ist nämlich gegeben. Dies hat der Sachverständige V. in seinem Gutachten vom 05. Juli 2010 festgestellt und im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2011 vor dem Landgericht nochmals bestätigt. Das nimmt der Beklagte auch gar nicht in Abrede.

Zudem war dem Beklagten aufgrund des Schreibens des Architekten S. vom 30. April 2008 an ihn (Anlage K 1 / Bl. 5 d. A.) bekannt, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Tätigkeit des Klägers erfolgt war. Denn im letzten Absatz des Schreibens heißt es, dass in der „nächsten Woche“ ein Termin zur Besprechung des statischen Konzeptes vereinbart werden sollte.

(2) Der Beklagte rügt zu Unrecht gegenüber dem Kläger, er habe wegen der Nichteinhaltung der seiner Meinung nach zwingend einzuhaltenden Chronologie der Leistungsphasen des § 64 HOAI Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Planung seines Architekten zu spät erkennen und sich nicht rechtzeitig darauf einstellen können.

Die HOAI stellt lediglich öffentliches Preisrecht dar und regelt nicht den Inhalt von Verträgen. Aus den Bestimmungen der HOAI allein können daher keine Schlussfolgerungen auf vertragliche geschuldete Leistungen gezogen werden (vgl. dazu BGH, BauR 2004, 1640).

Die Nichteinhaltung der in der HOAI vorgesehenen Chronologie ist für sich genommen kein Mangel, denn sie stellt keinen Selbstzweck dar.

Entscheidend ist vielmehr, ob eine etwaige Abweichung zu einem Mangel des Werkes im Sinne des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts führt (vgl. BGH, BauR 2004, 1640). Das ist indes nicht der Fall.

Die Werkleistung des Klägers als solche ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu beanstanden, denn er hatte sich nur mit dem „Wie“ der baulichen Umsetzung der Planungen des Architekten des Beklagten zu beschäftigen, also Möglichkeiten der Realisierung in statischer Hinsicht aufzuzeigen, und hat dies mangelfrei getan. Das Landgericht ist in der Beweiswürdigung im Ergebnis zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Werkleistung des Klägers mangelfrei gewesen ist, worauf im Folgenden noch im Einzelnen eingegangen wird. Das folgt zweifelsfrei aus dem Gutachten des Sachverständigen V.

Aufgabe des Statikers ist es, seine Berechnungen und Feststellungen, ggf. auch Alternativvorschläge, dem Bauherrn bzw. dessen Architekten vorzulegen. Der Bauherr und/oder sein Architekt entscheiden sodann über die tatsächliche Umsetzung der aufgezeigten Möglichkeiten, also über das „Ob“ und „Wie“. Der Architekt muss prüfen, ob und wie die Möglichkeiten der Statik mit den Wünschen des Auftraggebers kompatibel gemacht werden können, nicht jedoch der Tragwerksplaner. Ob und inwieweit im vorliegenden Fall dem Architekten des Beklagten Verstöße gegen seine vertraglichen Pflichten vorzuwerfen sind, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auch irrelevant. Architekt und Ingenieur haften gegenüber dem Bauherrn nicht als Gesamtschuldner.

b) Anordnung des Stützpfeilers im Treppenhaus und das damit verbundene Fundament

Die Leistung des Klägers hinsichtlich des Stützpfeilers im Treppenhaus ist ebenfalls mangelfrei.

Die Begründung des Landgerichts im angegriffenen Urteil hierzu ist allerdings unzutreffend. Der Kläger hat gerade nicht bewiesen, dass der jetzige Standort des Stützpfeilers den Vorgaben des Beklagten entsprach bzw. mit seinem Einverständnis geändert wurde. Denn der als Zeuge vernommene Architekt S. hat erklärt, dass die im Rahmen der Zeugenvernehmung vorgelegte Skizze von dem Beklagten nie zur Kenntnis genommen worden sei und dass der eingezeichnete Standort des Pfeilers von dem Standort in der Skizze vom 05. Juni 2008 abweiche. Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dies sei im Rahmen seiner Besprechung mit dem Beklagten am 12. Juni nicht erörtert worden (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04. September 2009, S. 3 / Bl. 151 d. A.).

Dies ist jedoch allenfalls ein Fehler des Architekten, nicht aber ein Fehler des Klägers. Denn der Tragwerksplaner hat, wie dargelegt, lediglich die statischen Möglichkeiten vorzugeben. Statisch war der vom Kläger vorgesehene Pfeiler erforderlich und seine Leistung deshalb nicht zu beanstanden. Der Sachverständige V. hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die vom Kläger erstellte Statik richtig ist. Die genaue Anordnung des Pfeilers war Aufgabe des Architekten. Das Gleiche gilt für das damit verbundene Fundament.

c) Wintergarten in nicht abgestimmter Konstruktionsart

Auch bezüglich des Wintergartens ist die Werkleistung des Klägers mangelfrei.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, der Kläger habe bewiesen, dass der Beklagte seine Zustimmung zum Aufbau der Wintergarten-Fensterfront gegeben habe. Der als Zeuge vernommene Architekt S. hat in seiner Vernehmung vor dem Landgericht angegeben, dass die Fensterfront des Wintergartens Gegenstand der Besprechung vom 12. Juni 2008 gewesen sei. Der Beklagte habe selbst in dem von ihm erstellten Gesprächsprotokoll bestätigt, dass er mit den Vorgaben seines Plans vom 05. Juni 2008, in dem sechs Fenster vorgesehen gewesen seien, einverstanden gewesen sei (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04. September 2010, S. 3 / Bl. 151 d. A.).

Der fehlende Hinweis darauf, dass die Fenster grundsätzlich auch mit fünf Flächen hätten durchgeführt werden können, kann wiederum allenfalls einen Architektenfehler darstellen, nicht jedoch einen Fehler des Ingenieurs. Denn dieser hat, wie oben dargestellt, nur die statischen Möglichkeiten darzustellen, während der Architekt mit dem Auftraggeber abzuklären hat, ob dieser Vorschlag zur Umsetzung kommen soll oder nicht. Allein der Architekt ist für die endgültige planerische Umsetzung verantwortlich.

Auch soweit der Beklagte hinsichtlich des Wintergartens bemängelt, der jetzt vorgesehenen Ausführung in Holz mit einer Holzbalkenzwischendecke nicht zugestimmt zu haben, ist ein Mangel der Werkleistung des Klägers nicht gegeben. Es ist Aufgabe des Architekten, auf der Grundlage der Vorschläge des Ingenieurs eine den Vorstellungen des Bauherrn entsprechende Planung zu erstellen, den Auftraggeber aufzuklären und von diesem die Zustimmung zu seinem Architektenvorschlag zu erreichen. Dies ist nicht Aufgabe des Ingenieurs. Die statischen Berechnungen des Klägers als solche sind, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, richtig. Zudem fehlt es diesbezüglich an einem Widerspruch und einer Fristsetzung zur etwaigen Mängelbeseitigung durch den Beklagten.

d) Traufenaufbau Ostwand

Auch in Bezug auf den vom Beklagten als zu kompliziert gerügten Traufenaufbau an der Ostwand, der aufwendiger sei als ursprünglich geplant, gilt das oben Gesagte: Der Ingenieur macht mit seinen statischen Berechnungen Vorschläge zum „Wie“. Auf dieser Grundlage muss dann der Architekt entscheiden, ob und wo dieser Vorschlag umgesetzt wird. Da die statischen Berechnungen des Klägers als solche zutreffend und richtig sind, wie der Sachverständige V. überzeugend ausgeführt hat, kann insofern erneut allenfalls ein Architektenfehler vorliegen, jedenfalls aber kein Fehler des Ingenieurs.

e) Weitere streitige Positionen

Auch hinsichtlich der weiteren in Streit stehenden Elemente der Entwurfsplanung (Stahlstützpfeiler im Schlafraum und Wohnzimmer; Anfallgebinde mit Querriegel in Richtung Nordost und Südwest; 6 m langer Stahlträger oberhalb des Wohnzimmerfensters; horizontale Zugbänder; Stahlträger oberhalb der Fensterschürzen) hat der Sachverständige V. in seinem Gutachten und Ergänzungsgutachten sowie im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass die statischen Berechnungen des Klägers mangelfrei sind.

Zu etwaigen Fehlern des Architekten gilt das Vorgesagte.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

 

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