OLG München – Az.: 28 U 3473/10 – Urteil vom 03.09.2012
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 02.06.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 170.- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2011 zu bezahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Kosten und Schäden, die über die Kosten für die Neuerstellung des Bodenbelags gemäß der Kostenschätzung des Sachverständigen G… gemäß dessen Stellungnahme vom 18.11.2009 hinausgehen, zu ersetzen, wenn in dem Getränkemarkt B…, H… Straße 1, die auf der mangelhaften Herstellung des Bodenbelags nebst Untergrund beruhenden Mängel behoben werden.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Klageerweiterung.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.427,82 € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 02.06.2010 wird Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 49.307,87 € netto (Kosten für die Komplettsanierung abzüglich Sowieso-Kosten von 1.666,– €) und 949,95 € netto (Kosten für Privatgutachten) verurteilt und zur Begründung u.a. ausgeführt, es bestünden keine Bedenken dagegen, dass der gerichtliche Sachverständige aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen auf die Erneuerungsbedürftigkeit des gesamten Bodenbelags rückgeschlossen habe. Weder eine Vernehmung des Vertreters der Mieterin noch die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO seien veranlasst. Zwar sei die vom Kläger gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung zu kurz bemessen gewesen, diese habe aber zumindest eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Hiergegen macht die Beklagte mit ihrer Berufung geltend, das Landgericht habe seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft die Notwendigkeit einer Komplettsanierung zugrunde gelegt. Der Sachverständige habe ausreichend konkrete Feststellungen zum Umfang der betroffenen Flächen nicht getroffen. Es widerspreche sachverständiger Kunst von einer punktuellen Feststellung auf ein Gesamtergebnis zu schließen. Die nur pauschalen Ausführungen des Sachverständigen reichten aus, um ein Obergutachten gemäß § 412 ZPO einzuholen. Zumindest hätte das Landgericht den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens von sich aus laden müssen. Tatsächlich seien lediglich 20 bis 30 Fliesen mit einer Gesamtfläche von 3 qm – bei verlegten 700 qm – betroffen, was der Vertreter der Mieterin bestätigen könne. Auch von der Mieterin sei zu keinem Zeitpunkt eine vollständige Mängelbeseitigung verlangt oder eine Mietminderung vorgenommen worden. Außer an den festgestellten lokalen Mängeln sei der Bettungsmörtel druckfest und die zementangereicherte Kontaktschicht gegeben. Nach Auffassung der Beklagten seien im Zusammenhang mit der Lagerung und dem Befahren der Lagerflächen die Belastungsgrenzen überschritten worden. Bis zum heutigen Tage seien – entgegen der Voraussage des Sachverständigen – an keinen weiteren Stellen Schäden mehr aufgetreten. Die Beklagte sei nach wie vor bereit, die lokal begrenzten Mängel zu beseitigen, hierzu habe sie ihr Recht auf Nacherfüllung nicht verloren.
Die Beklagte beantragt deshalb, das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 02.06.2010, Az.: 53 O 1825/08, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Aus seiner Sicht ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Komplettsanierung notwendig ist. Der Sachverständige habe ausgeschlossen, dass die fehlende Kontaktschicht an einer anderen Stelle vorhanden sein könne. Die Frage, ob eine Komplettsanierung notwendig ist, sei eine Frage, die vom Sachverständigen, nicht von einem Zeugen zu beantworten sei. Ob die Miete gemindert worden ist, sei irrelevant. Die Voraussetzungen für die Erholung eines weiteren Gutachtens seien nicht gegeben. Die Beklagte habe jedenfalls den Komplettaustausch ernsthaft und endgültig verweigert. Falsch und verspätet sei die unsubstantiierte Behauptung, es seien die Belastungsgrenzen überschritten worden. Die vertraglich vereinbarte Tragfähigkeit des Fußbodens sei jedenfalls nicht erreicht.
3. Der Senat hat zunächst mit Verfügung vom 27.09.2010 einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt (Bl. 142/144 d. A.), dann aber mit Verfügung vom 16.11.2010 (Bl. 152 d. A.) von einer Sachbehandlung nach § 522 Abs. 2 ZPO abgesehen und mit Beschluss vom 09.02.2011 eine ergänzende Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen angeordnet (Bl. 155/158 d. A.). Zum Ergebnis dieser ergänzenden Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 31.03.2012 (Bl. 195/202 d. A. nebst Anlage) und die Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 03.09.2012 (vgl. Bl. 231/234 d. A.) verwiesen.
4. Mit Schriftsatz vom 03.08.2012 (bei Gericht eingegangen am 07.08.2012, der Beklagten zugestellt am 09.09.2012) hat der Kläger seine Klage erweitert. Er beansprucht mit der Klageerweiterung den Ersatz von Kosten, die ihm im Zusammenhang mit dem Verschließen von Bodenöffnungen anlässlich der ergänzenden Begutachtung durch den Sachverständigen entstanden sind. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich aller weiteren Kosten und Schäden, die bei der Mängelbehebung entstehen.
a) Der Klageerweiterung betreffend die Kosten für das Verschließen der Bodenöffnungen liegt folgender unstreitiger Sachverhalt zugrunde:
Im Rahmen der vom Senat in zweiter Instanz angeordneten ergänzenden Beweiserhebung hat der Sachverständige bei seiner Ladung zum Ortstermin am 11.03.2011 darauf hingewiesen, dass von ihm mindestens 6 Belagsöffnungen vorgenommen werden, dass diese Belagsöffnungen eine Unfallgefahr darstellen, von ihm aber nicht verschlossen werden. Der Kläger beauftragte deshalb die Fa. Ch… G…, an dem Ortstermin anwesend zu sein und die vom Sachverständigen erstellten Bodenöffnungen (insgesamt 6 Stück) anschließend wieder fachgerecht zu verschließen und die Belagsfliesen aufzubringen. Für diese Leistung bezahlte der Kläger 170,– € netto auf die Rechnung der Fa. G… vom 21.03.2011. Mit Schreiben vom 23.03.2011 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, diesen Betrag bis längstens 07.04.2011 zu erstatten.
b) Der Kläger ist der Auffassung, es handle sich bei den Kosten von 170,– € um Aufwendungen im Zusammenhang mit der Feststellung des Schadens, die Teil des nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B zu ersetzenden Schadens seien. Bei der Mängelbeseitigung sei im Übrigen mit weiteren Kosten (insbesondere für das Abbauen der Holzsockelleiste, das Abdecken der Heizungs- und Lüftungsanlagen, das Streichen der Wände und Decken und das Aus- und Wiedereinräumen) sowie mit Minderungs- und Schadensersatzforderungen des Mieters zu rechnen. Im Hinblick auf die Hemmung der andernfalls drohenden Verjährung sei deshalb der klageerweiternde Feststellungsantrag erforderlich. Der Kläger beantragt deshalb im Wege der Klageerweiterung,
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den weiteren Betrag von 170,– € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2011 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Kosten und Schäden, die über die Kosten für die Neuerstellung des Bodenbelags gemäß der Kostenschätzung des Sachverständigen Ch… G… gemäß dessen Stellungnahme vom 18.11.2009 hinausgehen, zu ersetzen, wenn in dem Getränkemarkt in B…, H… Straße 1, die auf der mangelhaften Herstellung des Bodenbelags nebst Untergrund beruhenden Mängel behoben werden.
Die Beklagte beantragt, auch hinsichtlich der Klageerweiterung, die Klageabweisung.
Die Beklagte meint, die Kosten von 170,– € seien nicht Teil des zu ersetzenden Schadens. Die Angemessenheit der Kosten werde bestritten.
Hinsichtlich des Feststellungsantrags werde die Einrede der Verjährung erhoben, das Vorbringen sei verspätet und verzögere den Rechtsstreit.
II.
1. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat seiner Entscheidung im Ergebnis zu Recht zugrunde gelegt, dass der von der Subunternehmerin der Beklagten erstellte Bodenbelag infolge seiner Mangelhaftigkeit vollständig erneuert werden muss. Der Kläger kann deshalb den Ersatz der Mängelbeseitigungskosten von 49.307,87 € netto und der Gutachterkosten von 949,95 € netto beanspruchen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf der Grundlage der Begutachtung des gerichtlichen Sachverständigen, die in zweiter Instanz ergänzt worden ist. Durch diese ergänzende Begutachtung ist der Sachverhalt jedenfalls nunmehr mit einer für die rechtliche Beurteilung ausreichenden Sicherheit geklärt.
a) Der Sachverständige hat zusätzlich zu dem seiner Begutachtung in erster Instanz zugrunde liegenden 2 Bodenöffnungen 6 weitere Bodenöffnungen und 10 Probeentnahmen für Laboruntersuchungen, jeweils an verschiedenen genau bezeichneten Orten, vorgenommen. Unter Auswertung dieser zusätzlichen Erkenntnisse hält er daran fest, dass eine Gesamtsanierung erforderlich ist, weil die notwendige Kontaktschicht zwischen Verlegemörtel und Oberbelag an den überprüften Stellen nicht oder nur stellenweise gegeben ist, weil der Verlegemörtel zum Teil bröselig ist und insgesamt die Mindestanforderungen an seine Druckfestigkeit nicht eingehalten sind und weil die Betontragplatte stellenweise nicht ausreichend sauber (abgefräst oder sandgestrahlt) war. Es handelt sich hierbei nicht nur um punktuelle Mängel. An keiner Probe war ein insgesamt mangelfreier Zustand gegeben.
b) Der Senat macht sich diese technischen Ausführungen – weil überzeugend und erkennbar von Sachkunde getragen – zu eigen. Dies gilt insbesondere auch für die Feststellung des Sachverständigen zur fehlenden Druckfestigkeit des Verlegemörtels, die die bloße Vermutung der Beklagten widerlegen, vorliegend seien die zulässigen Belastungsgrenzen überschritten worden. Der Sachverständige hat insoweit erläutert, dass die Probezylinder zwar für eine Druckprüfung nicht geeignet waren, weil sie zerfallen sind. Aus diesem Grund sind sie aber mit Ultraschall untersucht worden. Die dabei gemessenen Werte erlauben die Feststellung unzureichender Druckfestigkeit, weil dem hinzugezogenen Labor eine Vergleichsliste zur Verfügung steht, in der bei anderen Proben neben der Druckfestigkeit jeweils auch der dazugehörende E-Modulwert erfasst worden ist. Anlass für eine weitere Begutachtung in diesem Zusammenhang gemäß § 412 Abs. 1 ZPO besteht danach nicht. Auch im Übrigen ist die Begutachtung des Sachverständigen weder unvollständig, noch nicht nachvollziehbar oder in sich widersprüchlich. Sie steht, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat, im Übereinklang mit dem Privatgutachten Anlage K 3.
c) Dies führt zur auch rechtlichen Beurteilung, dass die gesamte Leistung Rüttelboden als mangelhaft zu bewerten ist. Ausreichende Anhaltspunkte für nur abschnittsweise mangelhafte Arbeiten sind nicht gegeben. Schon eine konkrete Abgrenzung zu vermutlich schadlosen Flächen ist vorliegend nicht darzustellen. Zudem wäre nicht auszuschließen, dass bei einer Teilsanierung die vermeintlich schadlosen Flächen ebenfalls eine Schwächung erleiden (vgl. Schreiben des Sachverständigen vom 24.05.2011 – Bl. 170 d. A:). Letztlich maßgeblich ist aber, dass die Verpflichtung zur Mangelbeseitigung nicht davon abhängig ist, ob bzw. inwieweit inzwischen weitere Schäden eingetreten bzw. noch zu erwarten sind. Unerheblich ist auch, ob die Mieterin des Klägers eine Komplettsanierung verlangt und/oder die Miete gemindert hat. Der Kläger hat vielmehr Anspruch auf einen mangelfreien Rüttelboden. Dieser ist schon mit Blick auf die unzureichende Druckfestigkeit nicht gegeben. Dem Kläger ist es nicht zuzumuten, das Risiko weiterer Schäden und in der Folge einer abschnittsweisen Sanierung zu tragen.
2. Die zulässige Klageerweiterung ist begründet.
Dem Kläger stehen weitere 170,– € als Schadensersatz zu. Er hat Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung.
a) Die hier gegebene Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist nicht an die besonderen Voraussetzungen des § 533 ZPO zu knüpfen (BGH MDR 2010, 1011). Dem Kläger steht es frei, die Kosten außerhalb des Festsetzungsverfahrens zu verfolgen (vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl. vor § 91 Rdnr. 12).
b) Die Aufwendungen für das Verfliesen der Bodenöffnungen sind Aufwendungen im Zusammenhang mit der Feststellung des Schadens und somit Teil des nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B zu ersetzenden Schadens. Die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten ist vom Sachverständigen bestätigt worden. Die geltend gemachten Zinsen sind als Verzugsschaden geschuldet.
c) Der als solcher nicht in Abrede gestellte und auch ohne weiteres begründete Feststellungsanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Die Abnahme ist unstreitig am 09.08.2007 erfolgt (vgl. auch Urteil des Landgerichts Seite 3, vorletzter Absatz). Die Parteien haben eine 5-jährige Gewährleistungsfrist vereinbart (vgl. § 10 Anlage K 1). Die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 03.08.2012 ist am 07.08.2012 bei Gericht eingegangen, dem Beklagten noch am 07.08. per Fax übermittelt und am 09.08.2012 rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt worden. Eine Verzögerung des Rechtsstreits ist nicht eingetreten.
3. Nebenentscheidungen:
a) Kosten: §§ 97 und 91 ZPO.
b) Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
c) Nichtzulassung der Revision: § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind weder behauptet noch gegeben.
d) Streitwert: §§ 47, 48 GKG und 3 ZPO. Der festgesetzte Streitwert setzt sich aus folgenden Einzelwerten zusammen:
Berufung 50.257,82 €, Klageerweiterung 170,– €/Leistungsklage und 12.100,– €/Feststellungsklage.