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Werklohnanspruch nach Auftraggeberkündigung

Estrichleger erhält Werklohn nach Kündigung

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 22. März 2023 entschieden, dass der Klägerin ein Werklohnanspruch nach Auftraggeberkündigung zusteht. Dieser Anspruch basiert auf einem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag über den Einbau eines Estrichs. Trotz einiger Unklarheiten im Vertragsschlussprozess und der darauffolgenden Kündigung durch die Beklagte hat das Gericht die Beklagte zur Zahlung von 9.902,37 € plus Zinsen verurteilt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 54/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Werklohnanspruch: Der Klägerin steht ein Werklohnanspruch nach freier Kündigung durch den Auftraggeber gemäß §§ 631 Abs. 1, 648 Satz 2 BGB, § 16 Abs. 3 VOB/B zu.
  2. Vertragsabschluss: Ein Werkvertrag über den Einbau eines Estrichs kam zwischen den Parteien zustande, wobei die Details der Vertragsbildung im Laufe des Verfahrens analysiert wurden.
  3. Angebot und Annahme: Das Landgericht lehnte ursprünglich einen Vertragsschluss ab, das Oberlandesgericht bewertete jedoch die E-Mail der Beklagten als neues Angebot, das implizit angenommen wurde.
  4. Auslegung der Kommunikation: Die E-Mail der Zeugin S1 wurde als neues Angebot der Beklagten und nicht der ursprünglich adressierten U1 GbR angesehen.
  5. Annahme durch Schweigen: Das Gericht akzeptierte, dass ein Vertragsschluss auch durch Schweigen erfolgen kann, wenn bereits Vorverhandlungen stattgefunden haben.
  6. Kündigungsvergütung: Die Klägerin hat Anspruch auf die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitig erzielten Erlösen gemäß § 648 Satz 2 BGB.
  7. Zinsansprüche: Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen seit der endgültigen Verweigerung der Werklohnvergütung.
  8. Kostenentscheidung: Die Kosten der ersten Instanz werden zwischen Klägerin und Beklagter aufgeteilt, während die Kosten der zweiten Instanz vollständig von der Beklagten getragen werden.

Werklohnanspruch im Baurecht: Eine juristische Betrachtung

Werklohnanspruch nach Kündigung
(Symbolfoto: Anselm Kempf /Shutterstock.com)

Im Bereich des Baurechts kommt der Thematik des Werklohnanspruchs nach einer Auftraggeberkündigung eine bedeutende Rolle zu. Dieses spezifische Feld des Rechts befasst sich mit den komplexen Beziehungen und rechtlichen Verpflichtungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern, insbesondere im Kontext von Bauverträgen. Ein zentraler Aspekt hierbei ist die Klärung der Frage, inwiefern ein Anspruch auf Vergütung besteht, wenn ein Auftraggeber einen Vertrag vorzeitig beendet. Dabei sind verschiedene rechtliche Nuancen zu berücksichtigen, wie etwa die Bedingungen des Vertragsschlusses und die spezifischen Umstände, die zu einer Kündigung führen.

Die rechtlichen Grundlagen und die Interpretation solcher Sachverhalte können erheblich variieren, abhängig von der jeweiligen Gerichtsentscheidung. Beispielsweise spielt die Auslegung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein in solchen Fällen eine wichtige Rolle. Die Urteile und Entscheidungen, die in diesen Instanzen gefällt werden, setzen oftmals bedeutende Präzedenzfälle und tragen zur weiteren Entwicklung des Baurechts bei.

Im Folgenden wird ein konkretes Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein betrachtet, das sich mit dem Werklohnanspruch nach Auftraggeberkündigung befasst. Dieses Urteil gibt nicht nur Aufschluss über die spezifische Rechtslage in diesem Fall, sondern beleuchtet auch allgemeine Grundsätze und rechtliche Überlegungen, die in ähnlichen Fällen relevant sein könnten. Tauchen Sie mit uns ein in die Details dieses interessanten und aufschlussreichen Falles.

Vertragskomplexität im Baurecht: Der Fall des Werklohnanspruchs

In einem aufsehenerregenden Fall vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein ging es um einen Werklohnanspruch nach Auftraggeberkündigung. Kern des Falles war ein Werkvertrag über den Einbau eines Estrichs, der zwischen der Klägerin und der Beklagten unter Einbeziehung der VOB/B geschlossen wurde. Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an der Frage, ob und inwieweit ein solcher Vertrag zustande gekommen war und welche Rechte daraus erwachsen.

Die Klägerin hatte ein Angebot am 20. Juli 2020 unterbreitet, welches die Beklagte per E-Mail am 9. September 2020 annahm. Das Landgericht Kiel hatte zunächst einen Vertragsschluss abgelehnt, da es annahm, dass eine frühere Annahme des Angebots gemäß § 147 Abs. 2 BGB zu erwarten gewesen wäre. Diese Sichtweise wurde jedoch vom Oberlandesgericht nicht geteilt. Die E-Mail der Beklagten wurde letztlich als neues Angebot gewertet, das von der Klägerin stillschweigend angenommen wurde. Hierbei spielten auch Aspekte wie die Vertretungsmacht und die Auslegung der Kommunikation zwischen den Parteien eine Rolle.

Die Urteilsfindung im Detail: Werklohnanspruch und Vertragsinterpretation

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin einen berechtigten Werklohnanspruch nach freier Auftraggeberkündigung gemäß §§ 631 Abs. 1, 648 Satz 2 BGB, § 16 Abs. 3 VOB/B hat. Interessant war hierbei die Auslegung des Schreibens des Geschäftsführers der Beklagten, das als freie Kündigung des Vertrags interpretiert wurde. Dies führte dazu, dass die Klägerin ihre Vergütung verlangen konnte, die sie in ihrer Schlussrechnung vom 4. März 2021 mit 9.902,37 € netto berechnet hatte.

Die sogenannte große Kündigungsvergütung umfasst laut § 648 Satz 2 BGB die volle Vergütung abzüglich der durch die Kündigung ersparten Aufwendungen. Die Klägerin kam ihrer Darlegungspflicht hinsichtlich der vereinbarten Gesamtvergütung und der ersparten Aufwendungen nach. Die Beklagte hingegen konnte ihre Einwände gegen die Höhe der geforderten Summe nicht ausreichend begründen und unter Beweis stellen.

Zinsansprüche und Kostenverteilung: Finanzielle Konsequenzen des Urteils

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils waren die Zinsansprüche, die aus § 288 Abs. 2 BGB resultieren. Diese begannen mit der endgültigen Verweigerung der Werklohnvergütung am 12. März 2021.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung wurde festgelegt, dass die Klägerin 16 % und die Beklagte 84 % der Kosten der ersten Instanz tragen muss. Die Kosten der zweiten Instanz wurden vollumfänglich der Beklagten auferlegt. Diese Kostenverteilung reflektiert die Teilerfolge der Parteien im Gerichtsverfahren.

Keine Revision zugelassen: Abschluss des Rechtsstreits

Das Gericht ließ keine Revision zu, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorlagen. Der Senat hatte seine Entscheidung auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Vertragsschluss durch Schweigen basiert. Die Bewertung und Auslegung der eingereichten Dokumente erfolgte im Rahmen einer Einzelfallbewertung.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein stellt einen interessanten Präzedenzfall im Baurecht dar, insbesondere im Hinblick auf die Interpretation von Vertragsabschlüssen und die daraus resultierenden Ansprüche. Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vertragsauslegung und die Bedeutung der Kommunikation zwischen den Vertragsparteien.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was beinhaltet ein Werklohnanspruch im Baurecht?

Ein Werklohnanspruch im Baurecht bezieht sich auf die Vergütung, die ein Werkunternehmer für die Vollendung und Übergabe eines Werks erhält. Dies ist die Gegenleistung des Bestellers für die erbrachte Werkleistung durch den Werkunternehmer. Die rechtliche Grundlage für den Werklohn findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 631 BGB regelt die Entstehung des Anspruchs auf Werklohn und die Fälligkeit der Vergütung.

Im Baurecht gilt der Grundsatz, dass erst mit Abnahme die Vergütung fällig wird. Der Unternehmer ist also zur Vorleistung verpflichtet und muss das Werk vorab herstellen. Erst dann kann er seinen Werklohn verlangen. Fehlt eine wirksame Abnahme, so besteht grundsätzlich noch kein fälliger Anspruch auf Werklohn.

Die Bemessung des Werklohns richtet sich nach Vereinbarung der Parteien oder, falls keine Vereinbarung getroffen wurde, nach den gesetzlichen Bestimmungen. Der Werklohn kann pauschal oder zeitabhängig (z.B. Stundenlohn) bemessen sein. Wird keine Vergütung ausdrücklich vereinbart, so ist gemäß § 632 Abs. 1 BGB eine Vergütung nach der ortsüblichen Art und Höhe zu zahlen.

Für die Fälligkeit des Werklohnanspruchs sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu gehören das Vorliegen eines Werkvertrags, die Erbringung der Leistung, die Abnahme der erbrachten Leistung und eine prüffähige Rechnung.

Es ist auch zu beachten, dass der Werklohnanspruch verwirken kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie z.B. eine lange Zeit der Inaktivität des Werkunternehmers.

Darüber hinaus kann der Besteller den Werklohn mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen, wenn der Werkunternehmer seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 12 U 54/22 – Urteil vom 22.03.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des am 01.04.2022 verkündeten und zugestellten Urteils des Landgerichts Kiel, 9 O 149/21, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.902,37 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 12.03.2021 zu zahlen.

Die Kosten erster Instanz trägt die Klägerin zu 16 %, die Beklagte zu 84 %; die Kosten zweiter Instanz trägt die Beklagte vollumfänglich.

Dieses und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Auf eine Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 b Abs. 1 ZPO verzichtet.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Werklohnanspruch nach freier Auftraggeberkündigung gemäß §§ 631 Abs. 1, 648 Satz 2 BGB, § 16 Abs. 3 VOB/B.

1.

Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag über den Einbau eines Estrichs unter Einbeziehung der VOB/B zustande gekommen.

a)

Allerdings ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen Vertragsschluss durch das Angebot der Klägerin vom 20.07.2020 (Anlage K1, Anlagenband) und die (Annahme-)Erklärung der Beklagten (durch E-Mail der Zeugin S1) vom 09.09.2020 (Anlage K2, Anlagenband) nach den Vorgaben des § 147 Abs. 2 BGB abgelehnt hat.

Denn nach den regelmäßigen Umständen wäre eine frühere Annahme des Angebots gemäß § 147 Abs. 2 BGB zu erwarten gewesen, die nach der Rechtsprechung mit ungefähr drei bis vier Wochen längstens zu bemessen war (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage, § 147 Rn. 6 mwN).

Auch die Tatsache, dass in den Annahmezeitraum die Sommerferien fielen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn bei beiden Vertragspartnern dürfte es sich um Unternehmen handeln, die zu jedem Zeitpunkt des Jahres Geschäfte abschließen. Dass die Beklagte in den Sommerferien Betriebsferien gemacht hätte, ist nicht vorgetragen.

b)

Die E-Mail der Zeugin S1 vom 09.09.2020 (Anlage K2, Anlagenband) ist daher als neues Angebot gemäß § 150 Abs. 1 BGB zu werten. Dieses hat sich die Beklagte auch zurechnen zu lassen.

Soweit diese darauf abstellt, dass sie weder als Adressatin des Angebots von der Klägerin benannt worden sei, noch dass die Zeugin S1 für sie habe tätig werden wollen (sondern nur für die U1 GbR), führt dies nicht zu einer anderen Bewertung.

Auf die Frage, an wen sich das ursprüngliche Angebot der Klägerin richtete, kommt es schon deshalb nicht entscheidend an, weil die E-Mail der Zeugin S1 nach den obigen Darlegungen als neues Angebot (der Beklagten) zu werten ist. Unabhängig davon war das Angebot der Klägerin an die „A1 Grundstücksverwaltung“ gerichtet, deren Mitarbeiter K1 mit ihr die Besichtigung durchgeführt hatte. Damit war es nach Ansicht des Senats zunächst einmal an die Grundstücksverwaltung gerichtet, soweit diese selbst abschlussbefugt war, nach dem erkennbaren Interesse der Klägerin und des Zeugen K1 – für den Fall der fehlenden Abschlussbefugnis – aber auch gleichzeitig an die hinter der Grundstücksverwaltung stehenden Eigentümer bzw. sonst Abschlussbefugten. Letzteres hat offensichtlich auch die Beklagte so gesehen, denn ihr (Annahme-)Schreiben vom 09.09.2020 zeigt, dass sie sich von dem Angebot angesprochen fühlte und einen entsprechenden Vertrag mit der Klägerin abschließen wollte.

Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin S1 mit ihrer Email nur für die U1 GbR tätig werden wollte, ergeben sich aus ihrer Email nicht. Diese trägt unter der Unterschrift der Zeugin vielmehr ausdrücklich die Firmenbezeichnung der Beklagten.

Ebenso wenig kann die Beklagte damit gehört werden, dass sich „aus den Bauschildern“ und aus den Gesprächen mit dem Zeugen K1 ergeben habe, dass die U1 GbR das Bauvorhaben durchführen wolle (und nicht die Beklagte) und dass die Zeugin S1 auch nur für diese Vertretungsvollmacht gehabt habe (und nicht für die Beklagte). Denn es war allein Sache derjenigen, die das Bauprojekt durchführen wollten, ihre Verträge so zu organisieren, dass der „richtige“ Vertragspartner die hier streitigen Estricharbeiten beauftragt. Aus Sicht der Klägerin war dies – selbst wenn die Klägerin und der Zeuge K1 zuvor etwas anderes besprochen haben sollten – vorliegend eindeutig die Beklagte. Für die Klägerin war es nach der offenen Formulierung des Adressaten im Angebot (s. oben) ohne Bedeutung, wer von den Abschlussbefugten das Angebot annahm. Soweit die Zeugin S1 von Seiten der Beklagten mit der Email ihre Vertretungsmacht überschritten haben sollte, liegt jedenfalls eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vor, so dass die Klägerin aufgrund des Wortlauts der E-Mail, der Tatsache, dass die Zeugin S1 für die Beklagte unterzeichnete und der Tatsache, dass die E-Mail sich inhaltlich ausdrücklich auf ihr vorheriges Angebot bezog, davon ausgehen durfte, dass die Beklagte ihr den Auftrag für die Estricharbeiten erteilen wollte.

c)

Unter Einbeziehung der als neues Angebot zu wertenden E-Mail der Beklagten vom 09.09.2020 ist – anders als das Landgericht meint – auch ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen.

aa)

Zwar ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die Klägerin dieses Angebot der Beklagten innerhalb der auch hier anzusetzenden Frist von maximal drei bis vier Wochen nicht ausdrücklich gemäß § 147 Abs. 2 BGB angenommen hat.

bb)

Allerdings kann auch ein Schweigen als Annahmeerklärung zu werten sein, wenn das Angebot auf Vorverhandlungen basiert, in denen über die wesentlichen Vertragsbedingungen bereits Einigkeit erzielt worden war, und beide Partner des Vertrags fest mit einem Vertragsschluss rechnen konnten (vgl. Grüneberg/Ellenberger, aaO, Rn. 3 unter Hinweis auf BGH NJW 1995, 1281 Rn. 9). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Nach dem Sachverhalt hatten sich die Parteien durch das Angebot der Klägerin vom 20.07.2020 und die E-Mail der Zeugin S1 vom 09.09.2020 für die Beklagte über alle wesentlichen Vertragsbestandteile geeinigt. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass es nach Eingang der E-Mail vom 09.09.2020 zeitlich naheliegend ihre einzige Aufgabe war, auf eine Terminsabsprache mit der Beklagten zu warten, ohne dass es ansonsten noch Klärungsbedarf gegeben hätte. Für sie war der Werkauftrag fest eingeplant, ebenso wie offensichtlich für die Beklagte, denn ansonsten wäre es unverständlich, dass der Zeuge K1, der von der Zeugin S1 in ihrer Email vom 09.09.2020 auch weiterhin als Ansprechpartner für die Klägerin benannt war, die Klägerin im Winter 2020/21 anrief, um einen Termin für die Ausführung der Arbeiten abzustimmen.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass sie bzw. der Zeuge K1, der nach der E-Mail der Beklagten Ansprechpartner für die Klägerin sein sollte, bei seinen – nach Angaben der Beklagten sogar mehrfachen – Anrufen wegen des Termins davon ausgegangen sein wollen, dass noch überhaupt kein Vertrag zustande gekommen sei, ist dies fernliegend. Denn der Zeuge K1 wusste als Mitarbeiter der Grundstücksverwaltung sowohl von dem Angebot der Klägerin als auch (über das cc in der E-Mail der Zeugin S1 vom 09.09.2020) von der „Annahme“ durch die Beklagte. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass er trotz der E-Mail mit eindeutigem Inhalt allein aufgrund des Zeitablaufs darauf geschlossen haben will, dass ein Vertrag noch gar nicht zustande gekommen war. Auch die Tatsache, dass sich die Beklagte erst, als die Klägerin keinen aus ihrer Sicht passenden – nämlich zeitnahen – Termin zur Ausführung der Arbeiten mitteilen konnte, mit Schreiben ihres Geschäftsführers vom 12.02.2021 (Anlage K3, Anlagenband) darauf berufen hat, dass ihrer Ansicht nach noch gar kein Vertrag geschlossen worden sei, deutet darauf hin, dass auch die Beklagte zunächst von einem Vertragsschluss ausgegangen ist.

2.

Aus der Auslegung des Schreibens des Geschäftsführers der Beklagten als freie Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags folgt sodann, dass die Klägerin nunmehr ihre Vergütung gemäß §§ 648 Satz 2 BGB, 16 Abs. 3 VOB/B verlangen kann. Diese hat sie in ihrer Schlussrechnung 15-021 vom 04.03.2021 (Anlage K4, Anlagenband) unter Abzug der ersparten Aufwendungen mit 9.902,37 € netto berechnet. Diesen Betrag kann sie – nach Teilrücknahme hinsichtlich der weitergehenden, ihr nicht zustehenden Umsatzsteuer – auch in voller Höhe verlangen.

a)

Die sog. große Kündigungsvergütung beläuft sich nach dem Wortlaut § 648 Satz 2 BGB auf die volle Vergütung abzüglich der durch die Kündigung ersparten Aufwendungen, den durch anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft erzielten sowie den böswillig nicht erzielten Erlösen.

b)

Die Klägerin ist ihrer Darlegungspflicht hinsichtlich der vereinbarten Gesamtvergütung, der Kündigung und der Fälligkeit der Vergütung, der ersparten Aufwendungen sowie der Frage von Füllaufträgen hinreichend nachgekommen (siehe Senatsbeschluss vom 28.09.2022 sowie Schriftsatz der Klägerin vom 14.10.2022).

Die Beklagte hat die Höhe der von der Klägerin behaupteten ersparten Aufwendungen zwar bestritten und ebenso die weitere Behauptung der Klägerin, dass ihr keine Füllaufträge als anderweitiger Einsatz der Arbeitskraft zur Verfügung gestanden hätten. Sie hat allerdings trotz des Hinweises des Senats mit Beschluss vom 28.09.2022 zu der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast höhere ersparte Aufwendungen weder dargelegt noch unter Beweis gestellt (zu den Anforderungen an einen hinreichenden Vortrag siehe BGH, Urteil vom 14.01.1999 – VII ZR 277/97 – zitiert nach Juris Rn. 20). Gleiches gilt in Bezug auf den erläuternden Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.10.2022, dass diese aufgrund der regelmäßigen Einschaltung von Subunternehmern auch keine Füllaufträge zu berücksichtigen gehabt habe; auch diesem Vortrag ist die Beklagte trotz der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend entgegengetreten.

Sie hat vielmehr auf den Senatshinweis überhaupt nicht reagiert. Die beiden zuvor von der Beklagten für höhere ersparte Aufwendungen genannten Argumente (Bestreiten des Einkaufs von Material und Verpflichtung von Personal sowie Frage des Entfallens des Titels 1 „Baustelleneinrichtung“) hat der Senat in dem Beschluss bereits als nicht ausreichend abgelehnt, da die Beklagte dabei übersieht, dass die Klägerin in der Schlussrechnung durchaus ihre ersparten Aufwendungen abgesetzt hat, ihren kalkulierten Gewinn aber durchaus geltend machen kann, wie geschehen. Weiteren Vortrag hat die Beklagte auch nach dem weiteren Hinweis des Senats vom 15.11.2022 zur geplanten Entscheidung nicht geleistet.

Damit ist der Rechtsstreit aufgrund der unwidersprochenen Angaben der Klägerin zur Vergütungshöhe in ihrem Sinne entscheidungsreif.

3.

Der Zinsanspruch rührt aus § 288 Abs. 2 BGB, der Zinsanspruch beginnt mit der endgültigen Verweigerung der Werklohnvergütung am 12.03.2021.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO für die erste Instanz bzw. § 91 Abs. 1 ZPO für die zweite Instanz, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Senat hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Vertragsschluss durch Schweigen zugrunde gelegt. Soweit die Beklagtenseite meint, ein Vertrag könne nicht zustande gekommen sein, weil Angebotsadressat und Annehmender voneinander abwichen, hat der Senat den Sachverhalt gewürdigt und eine Auslegung der eingereichten Dokumente vorgenommen, insgesamt also eine Einzelfallbewertung vorgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

 

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