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SB-Autowaschanlage – Zulässigkeit in Mischgebiet

OVG Lüneburg – Az.: 1 LA 116/21 – Beschluss vom 05.01.2023

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 2. Kammer (Einzelrichterin) – vom 16. Juni 2021 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid für den Neubau einer SB-Autowaschanlage und einer Staubsaugerstation zur Autopflege.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks H. im Stadtgebiet der Beklagten. Der Beigeladene ist Miteigentümer des östlich und südlich direkt an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundstücks mit der Flurbezeichnung Gemarkung A-Stadt, I. sowie Pächter der östlich dieses Grundstücks gelegenen, 24 Stunden täglich betriebenen Shell-Tankstelle mit Waschstraße unter der postalischen Anschrift J. (B 209) in A-Stadt K.. Alle genannten Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Südwestlich des mit der Tankstelle bebauten Grundstücks auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Verdener Straße befindet sich der Ein- und Ausfahrtbereich zu einem Parkplatz, an dem ein (weiterhin vorhandener) Drogeriemarkt, eine Bäckerei, zwei Lebensmittel-Discounter und ein kleinerer Gartenfachmarkt angrenzen. Die etwa 7 m breite Verdener Straße ist im Bereich der Tankstelle in jeder Fahrtrichtung einspurig. Wegen der weiteren örtlichen Verhältnisse wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2021 Bezug genommen.

Der Beigeladene beabsichtigt, auf dem L., Gemarkung A-Stadt, eine SB-Autowaschanlage und eine Staubsaugerstation zu betreiben. Mit Bauvorbescheid vom 19. April 2018 stimmte die Beklagte den geplanten Vorhaben in planungsrechtlicher Hinsicht antragsgemäß zu (Nr. 2 des Bauvorbescheids). Aus Sicht des Immissionsschutzes bestünden keine grundsätzlichen Bedenken. Eine abschließende Prüfung erfolge jedoch erst bei Vorlage des Bauantrags (Nr. 3). Die in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Schallgutachten zugrunde gelegten Rahmenbedingungen seien bei der Errichtung und den Betrieb zu beachten und einzuhalten. Es dürfe kein Fahrzeugverkehr in der Nachtzeit erfolgen. Eine abschließende bauordnungsrechtliche Prüfung erfolge erst bei Vorlage vollständig prüfbarer Baugenehmigungsunterlagen (Nr. 5).

SB-Autowaschanlage - Zulässigkeit in Mischgebiet
(Symbolfoto: MVelishchuk/Shutterstock.com)

Die gegen diesen Bauvorbescheid erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juni 2021 ab. Der angefochtene Bescheid verletze die Kläger nicht in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten. Insbesondere sei der Gebietserhaltungsanspruch nicht verletzt. Das Bauvorhaben sei seiner Art nach planungsrechtlich zulässig. Die nähere Umgebung entspreche einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO, in dem das Vorhaben zulässig sei. Dabei sei neben der Wohnbebauung nördlich der Verdener Straße auch die durch Wohn- und Gewerbenutzung geprägte Bebauung südlich auf der dem Bauvorhaben gegenüberliegenden Straßenseite einzubeziehen. Dieser Straße komme trotz ihres erheblichen Verkehrsaufkommens keine trennende Wirkung zu. Auf beiden Seiten der Straße sei eine Mischung von gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung vorzufinden. Die gewerbliche Nutzung auf der der Tankstelle gegenüberliegenden Straßenseite resultiere auch aus den dort vorhandenen Werbeanlagen sowie den Einzelhandelsbetrieben. Die Tankstelle stelle keinen Fremdkörper dar. Das Bauvorhaben sei in dem faktischen Mischgebiet auch zulässig. Es entziehe sich zwar einer generalisierenden Betrachtung, da SB-Autowaschanlagen zu den Betrieben zählten, die ihrer Art nach zu wesentlichen Störungen des Wohnens führen könnten, aber nicht zwangsläufig führen müssten. Die deshalb erforderliche Einzelfallprüfung ergebe aber, dass das Bauvorhaben der Nachbarschaft noch zuzumuten sei. Die für ein Mischgebiet anzulegenden Grenzwerte würden nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Schallgutachten nicht überschritten. Die gegen dieses Gutachten von den Klägern erhobenen Einwendungen seien unzutreffend. Die nähere Ausgestaltung des Vorhabens, insbesondere auch unter Berücksichtigung einer abschließenden immissionsschutzrechtlichen Prüfung, bleibe aber dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten.

II.

Der von den Klägern gestellte, auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Beruhens der Entscheidung auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat keinen Erfolg.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens eine erhebliche Tatsachenfeststellung oder einen tragenden Rechtssatz mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich; es genügt, wenn sich diese als offen erweisen. Solche Zweifel haben die Kläger nicht dargelegt.

a) Die Kläger nehmen an, der Verdener Straße komme eine trennende Wirkung zu. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Bebauung nördlich und südlich der Verdener Straße derart ähneln würde, dass ein Eindruck der Zusammengehörigkeit beider Straßenseiten bestehen würde. Tatsächlich befinde sich auf der Nordseite ausschließlich Wohnbebauung. Die Tankstelle sei als Fremdkörper außer Betracht zu lassen. Sie stehe in einem erheblichen Kontrast zur umgebenden Bebauung. Eine gewerbliche Prägung ergebe sich auch nicht aus den vorhandenen Werbeschildern, weil sich am Ort dieser Werbeschilder keine entsprechenden Betriebe befänden. Die Einzelhandelsbetriebe seien vom Baugrundstück aus nicht wahrnehmbar. Diese Einwände überzeugen den Senat nicht.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass bei der Bestimmung der „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 BauGB darauf abzustellen ist, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = BauR 1978, 276 = NJW 1978, 2564 = juris Rn. 33; Beschl. v. 29.4.1997 – 4 B 67.97 -, ZfBR 1997, 268 = BauR 1997, 804 = NVwZ-RR 1998, 94 = juris Rn. 4). Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion. Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 -, juris Rn. 2). Eine Straße – zumal auch eine Hauptstraße – kann sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 18), ist also für sich genommen nicht stets maßgeblich, um den räumlichen Bereich der näheren Umgebung zu begrenzen. Die Grenze zwischen näherer und ferner Umgebung, die sich nicht schematisch festlegen lässt, kann im Einzelfall dort zu ziehen sein, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 -, juris Rn. 2). Daran gemessen ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, der Verdener Straße komme trotz der nicht vollkommen homogenen Bebauung auf beiden Seiten und der erheblichen Verkehrsbelastung von 8.400 Fahrzeugen, davon 500 Lkw täglich, keine trennende Wirkung zu.

Die Straße weist beidseits eine gemischte Bebauung mit wohnlicher und gewerblicher Nutzung auf, stellt also gerade keine Grenze zwischen jeweils einheitlich geprägten Bebauungskomplexen verschiedener baulicher Nutzungen dar. Sie erschließt und verbindet vielmehr die Nutzungen auf beiden Straßenseiten. Insbesondere ist entgegen der Annahme der Kläger die auf ihrer Straßenseite befindliche Shell-Tankstelle nicht als Fremdkörper aus der Betrachtung auszusondern. In die Betrachtung einzubeziehen sind auch die Werbeanlagen sowie die Einzelhandelsbetriebe auf der Südseite.

Nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach dem sich aus der Bebauung ergebenden Maßstab. Auf der ersten Stufe ist dabei alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist, ohne Beschränkung auf das städtebaulich Erwünschte oder Vertretbare. In einem zweiten Schritt muss diese Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden, indem alles außer Acht gelassen wird, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind demnach zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen. Zum anderen sind bauliche Anlagen auszusondern, die zwar diese Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber in einem auffälligen Kontrast zu übrigen Bebauung stehen und in ihrer Umgebung einzigartig sind. Beeinflussen diese baulichen Anlagen aber ihrerseits wegen ihrer Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung, sind sie also ihrerseits etwa aufgrund ihrer Größe oder ihrer Ausstrahlungswirkungen (Immissionen) für die Umgebung tonangebend, was in einem dritten Schritt unter Würdigung des tatsächlich Vorhandenen zu ermitteln ist, bestimmen sie die Eigenart der Umgebung mit und können deshalb nicht außer Betracht bleiben (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322 = BauR 1990, 328 = ZfBR 1990, 189 = juris Rn. 12 bis 16).

Daran gemessen ist die Tankstelle nicht auszusondern. Sie steht bereits nicht in einem auffälligen Kontrast zur umgebenden Bebauung. Entgegen der Ansicht der Kläger ist dabei nicht nur auf die südwestlich angrenzende Wohnbebauung abzustellen. Die mehrere Meter hohe Werbefläche, die Zufahrt, bei der es sich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche, sondern um Verkehrsflächen der Einzelhandelsbetriebe handelt und zumindest ein Teil der Parkplätze für die eingangs genannten Einzelhandelsgeschäfte auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind vom Tankstellengelände aus wahrnehmbar. Demzufolge üben auch die Einzelhandelsbetriebe eine prägende Wirkung auf das Baugrundstück aus; dass die Betriebsgebäude selbst nicht sichtbar sind, ist unerheblich. Selbst der von der Tankstelle aus gut sichtbare, nahe Gebäudekomplex auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in dem sich der „W. Döner“ befindet, ist zwar deutlich kleinflächiger als die Tankstelle, aber ausreichend groß, um dieser den Charakter eines Unikats in der näheren Umgebung zu nehmen. Mindestens aber auf der dritten Stufe ist festzustellen, dass die Tankstelle ihrerseits prägend ist. Der Tankstellenbetrieb, der jeden Wochentag rund um die Uhr stattfindet, prägt die Umgebung schon allein aufgrund seiner mit seinem Betrieb verbundenen Immissionen, etwa durch Verkehrsgeräusche. Zudem steht er in einem funktionellen Zusammenhang mit den auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Einzelhandelsbetrieben. Nutzer dieser Einzelhandelsbetriebe können ihre Einkaufsfahrten mit der Betankung ihrer Fahrzeuge verbinden. Außerdem liegt die Tankstelle verkehrsgünstig an der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße B 209 und kann von Verkehrsteilnehmern in beiden Fahrtrichtungen angefahren werden; sie ist daher in besonderer Weise auf ihren tatsächlichen Standort bezogen und wirkt sich städtebaulich auf diesen aus.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht eine auch gewerbliche Nutzung der näheren Umgebung aus dem Vorhandensein von Werbeplakaten gefolgert. Die Kläger stellen dies mit der Begründung infrage, dass es sich jeweils um Werbung für Betriebe handele, die sich am Ort der Werbung nicht befänden. Deshalb sei der Annahme, dass es an diesen Orten gewerbliche Nutzungen gebe, nicht berechtigt.

Dabei übersehen die Kläger aber, dass Fremdwerbung, also Werbung, die nicht an der Stätte der Leistung erfolgt, wegen des fehlenden Funktionszusammenhangs zwischen der Nutzung des Gebäudes und der daran angebrachten Außenwerbung, eine eigenständige Hauptnutzung darstellt, deren planungsrechtliche Zulässigkeit sich nach der Zulässigkeit von Gewerbebetrieben richtet (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 – 4 C 27.91 -, BVerwGE 91, 234 = ZfBR 1993, 142 = BauR 1993, 315 = juris Rn. 24, 27). Umgekehrt steht die Häufigkeit von Fremdwerbung in der näheren Umgebung der Annahme entgegen, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet im Sinne der §§ 3, 4 BauNVO, weil derartige gewerbliche Werbeanlagen in einem reinen Wohngebiet überhaupt nicht und in einem allgemeinen Wohngebiet (ebenso wie eine Tankstelle) nur ausnahmsweise zugelassen werden könnten.

b) Zu Unrecht meinen die Kläger auch, das Bauvorhaben könne nicht losgelöst von der vorhandenen Shell-Tankstelle mit Autowaschanlage betrachtet werden.

Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Beklagte zutreffend das bauliche Vorhaben unabhängig von dem Tankstellenbetrieb baurechtlich geprüft habe, weil die SB-Autowaschanlage und die Staubsauger zur Fahrzeugpflege einen eigenständigen gewerblichen Betrieb darstellten. Unter Zugrundelegung des Gegenstands des Bauvorbescheids ist dies nicht zu beanstanden. Der Bauherr bestimmt – entsprechend dem Baugenehmigungsverfahren – den Gegenstand der Bauvoranfrage (Burzynska/Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, Rn. 13). Bestandteil des Bauvorbescheids ist die Baubeschreibung des Beigeladenen. Diese bezieht sich allein auf die beabsichtigten Waschboxen und Staubsauger-Anlagen. Nur diesbezüglich und als eigenständiger Betrieb ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit durch den angefochtenen Bescheid verbindlich vorab festgestellt worden. Auch der Bauvorbescheid selbst beschreibt das Bauvorhaben als „Neubau einer SB-Autowaschanlage und einer Staubsaugerstation zur Autopflege“; dieses Verständnis hat die Beklagte im Klageverfahren noch einmal ausdrücklich bestätigt. Insofern ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das im Verwaltungsverfahren eingeholte Schallgutachten allein auf das Bauvorhaben bezieht, wie es der Beigeladene durch seine Antragstellung umgrenzt hat. Dem steht nicht entgegen, dass der zur Genehmigung gestellte Betrieb von der Nähe zur Tankstelle ersichtlich profitieren würde. Allein eine günstige örtliche Lage zu einem anderen Gewerbebetrieb führt auch ansonsten nicht dazu, dass beide Betriebe, insbesondere immissionsschutzrechtlich, als Einheit angesehen werden müssten.

Dessen ungeachtet weist der Senat für das Baugenehmigungsverfahren darauf hin, dass die von beiden Anlagen (Tankstelle und SB-Autowaschanlage/Staubsaugerstation) gemeinsam hervorgerufenen Immissionen auf ihre Vereinbarkeit in dem faktischen Mischgebiet zu prüfen wären, wenn sich im Baugenehmigungsverfahren herausstellen sollte, dass entgegen der Bauvoranfrage beide Betriebe eine Einheit bilden oder die Tankstelle faktisch um das Angebot erweitert werden soll, PKWs auf ihrem Gelände selbst zu pflegen. Auf eine derartige Verflechtung beider Betriebe könnte etwa hindeuten, dass Mitarbeiter der Tankstelle auch den neuen Betrieb betreuen oder sonstige betriebliche und funktionale Verbindungen bestehen. In diesem Fall würde der Bauvorbescheid keine dem Beigeladenen günstige Feststellungswirkung entfalten und die im Baugenehmigungsverfahren eingeholte Fachtechnische Stellungnahme nicht zum Nachweis genügen, dass von dem dann anzunehmenden Gesamtbetrieb (Tankstelle und SB-Autowaschanlage/Staubsaugerstation) keine Störwirkungen ausgehen, die sich innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird.

Soweit die Kläger im Übrigen die Ansicht vertreten, bei generalisierender Betrachtung könne der Gesamtbetrieb aus automatischer Waschanlage, vier Selbstbedienungsreinigungsanlagen und drei Staubsaugerstationen sowie Tank- und Shop-Bereich nicht als das Wohnen nicht wesentlich störender Betrieb eingeordnet werden, fassen sie zum einen die beiden nach dem Gegenstand des Bauvorbescheids grundsätzlich getrennt voneinander zu betrachtenden Betriebe zu Unrecht zusammen und setzen sich zum anderen nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht auf ihre diesbezüglichen Einwände bereits eingegangen ist. So hat sich das Verwaltungsgericht den Inhalt der ergänzenden Stellungnahme des Ingenieurbüros vom 17. April 2018 zu eigen gemacht, die ihrerseits in Reaktion auf die bereits im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018 erhobenen Einwände der Kläger erfolgte. Danach handele es sich bei den von den Klägern geschilderten Einzelereignissen um „kurzzeitige Geräuschspitzen, die aufgrund ihrer nur sehr kurzen Zeitdauer keinen beurteilungsrelevanten Einfluss“ hätten (S. 17 UA unter Verweis auf S. 4 der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.2.2018). Der Sachverständige sei zudem von der ungünstigsten Sachlage einer vollständigen Ausnutzung der Anlage ausgegangen, sodass die tatsächliche Immissionsbelastung eher noch niedriger sein würde.

2.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat.

Die von den Klägern aufgeworfene Frage, „ob Werbeanlagen als sonstige Gewerbebetriebe gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO einzuordnen sind, wenn die beworbenen Betriebe selbst nicht am Ort der Werbeanlagen vorhanden sind,“ ist nicht klärungsbedürftig, weil sie durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 – 4 C 27.91 -, BVerwGE 91, 234 = ZfBR 1993, 142 = BauR 1993, 315 = juris Rn. 24, 27) bereits höchstrichterlich geklärt ist.

Die weiteren Fragen,  „ob ein 24-Stunden-Tank- und Shop-Betrieb mit automatischer Waschanlage, 4 Selbstbedienungswaschanlagen und 3 Staubsaugerstationen – wobei 4 Selbstbedienungswaschanlagen und 3 Staubsaugerstationen und die automatische Waschanlage nur zur Tageszeit betrieben werden – bei generalisierender Betrachtung als ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO beurteilt werden kann,“

oder

„ob 4 Selbstbedienungswaschanlagen und 3 Staubsaugeranlagen bei generalisierender Betrachtung als ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO beurteilt werden kann,“

sind, wie schon an der Fragestellung ersichtlich ist, nicht grundsätzlicher Natur, sondern auf den konkreten Einzelfall bezogen, wobei sich die erste Frage mit Blick auf den hier maßgeblichen Gegenstand des Bauvorbescheids gar nicht stellt (s.o.). Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Frage, ob eine SB-Autowaschanlage in einem Mischgebiet zulässig ist, nicht allgemein bejaht oder verneint werden kann. Die Zulässigkeit hängt vielmehr von der konkreten Anlage und deren Betriebsgestaltung sowie von der konkreten Gebietssituation ab (BVerwG, Beschl. v. 18.8.1998 – 4 B 83.98 -, BauR 1999, 31 = BRS 60 Nr. 73 = juris Rn. 3).

3.

Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO und des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO. Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf einen im Verfahren nicht erörterten tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt, mit dem die Beteiligten nach dem Verfahrensverlauf nicht hätten rechnen müssen. Bereits mit Klagebegründung hätten die Kläger ihr Verständnis des angefochtenen Bauvorbescheids zum Ausdruck gebracht, dass über die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens durch diesen Bescheid keine abschließende Entscheidung erfolgen solle. Daraufhin hätten sie wie auch die Beklagte jeglichen Vortrag zu Lärmemissionen unterlassen. Das Urteil stelle demgegenüber überraschend auf das Behördengutachten ab und entnehme diesem Anhaltspunkte bzw. Indizien dafür, dass die Immissionsrichtwerte eingehalten würden. Hätten die Kläger gewusst, dass die aus ihrer Sicht fehlerhafte Immissionsprognose Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung werden könnte, hätten sie hierzu insbesondere unter Beweisantritt weiter vortragen und eine sachverständige Stellungnahme in Auftrag geben können.

Eine Überraschungsentscheidung liegt insofern nicht vor. Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschl. v. 5.4.2012 – 2 BvR 2126/11 -, NJW 2012, 2262 = juris Rn. 18). Entgegen der Darstellung der Kläger hat das Verwaltungsgericht nicht über die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens entschieden. Es hat im Gegenteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine abschließende immissionsschutzrechtliche Prüfung erst nach Bestimmung der konkreten Anlagen überhaupt möglich ist und dem Baugenehmigungsverfahren ausdrücklich vorbehalten bleibt (S. 18 UA). Zutreffend ist lediglich, dass das Verwaltungsgericht die im Verwaltungsverfahren eingeholte schallschutztechnische Stellungnahme – unter Berücksichtigung der Einwendungen der Kläger – verwertet und ihren Ergebnissen indizielle Bedeutung für die Frage der Gebietsverträglichkeit, namentlich der Störintensität des Vorhabens des Beigeladenen, beigemessen hat. Eine Vorentscheidung über die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens ist dabei aber nicht erfolgt. Die Verwertung erfolgte allein unter dem Gesichtspunkt der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit, nämlich im Rahmen der Prüfung, ob es von vornherein ausgeschlossen ist, eine SB-Autowaschanlage auf dem Baugrundstück zu errichten, weil eine solche Anlage ihrer Art nach in jedem Falle und unabhängig von der konkreten Anlagenart, der genauen Anordnung der Anlagen auf dem Baugrundstück und der Betriebszeiten zu wesentlichen Störungen des Wohnens führen würde (S. 16 UA). Dass wenigstens in diesem stark eingeschränkten Maße die sachverständige Beurteilung für die Entscheidung von Bedeutung sein könnte, musste den Klägern außer durch die Bezugnahme auf das Gutachten in dem Bauvorbescheid auch aufgrund des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 1. April 2019 (dort S. 4 f.) bewusst sein. Entgegen ihrer Darstellung, alle Beteiligte hätten Vortrag zu Immissionen unterlassen, hat nämlich die Beklagte in gleicher Weise auf das von ihr eingeholte Gutachten rekurriert. Dies lag mit Blick auf die Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts, die Störintensität eines Betriebs, der sich einer typisierenden Betrachtung entzieht, anhand seiner konkreten Betriebsstruktur und seiner Auswirkungen auf die Umgebung bei funktionsgerechter Nutzung zu bestimmen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 -, BVerwGE 174, 118 = BauR 2022, 615 = juris Rn. 10), auch mehr als nahe, sodass ein kundiger Prozessbeteiligter damit rechnen musste.

Hinzu kommt, dass die Verfahrensrüge die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt. Mit der Rüge wäre darzulegen gewesen, welcher nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungsrelevante Vortrag konkret unterblieben ist. Das fehlt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert bemisst sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 7 a der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Nds. OVG für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (zur Zulässigkeit der Festsetzung eines höheren Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren: Senatsbeschl. v. 28.6.2022 – 1 LA 173/21 -, BauR 2022, 1332 = ZfBR 2022, 693 = juris Rn. 14).

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