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Beschleunigungsanordnung durch Auftraggeber – Beschleunigungsvergütung Auftragnehmer

LG Berlin – Az.: 28 O 209/19 – Beschluss vom 04.10.2019

1. Der Antrag auf Erlass einstweiliger Verfügungen wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Parteien schlossen unter dem 19.10./17.12.2018 einen Bauvertrag unter Einbeziehung der VOB/B über die Ausführung von Bodenbelags- und Plattenarbeiten durch die Beklagte im Objekt … . Der Vertrag regelte verbindliche Vertragsfristen i.S.d. § 5 VOB/B für den Beginn der Ausführung den 17.5.2019 und die Fertigstellung (für das Haus 1 den 15.10.2019, für das Haus 2 den 19.8.2019 und für das Haus 3 den 6.6.2019 gemäß vereinbarten Bauzeitenplans).

Die Antragstellerin übersandte der Antragsgegnerin am 27.6.2019 einen überarbeiteten Bauablaufplan (AS5), in dem die Ausführungsfristen für die mit der Antragsgegnerin vereinbarten Leistungen mit 14 Kalendertagen kürzer waren, als die nach dem ursprünglich vereinbarten, der 27 Kalendertagen vorsah.

Die Antragsgegnerin forderte hieraufhin mit Schreiben vom 13.8.2019 die Vereinbarung einer Mehrvergütung für die geforderte terminliche Beschleunigung der Ausführung in den Häusern 1 und 2 in Höhe von 12,45 €/m2 (netto) und kündigte an, bis dahin keine Leistungen ausführen zu werden. Die Antragstellerin stimmte dem nicht zu.

Trotz Belegreife des Estrichs im Haus 2 jedenfalls am 12.9.2019 nahm die Antragsgegnerin keine Arbeiten auf. Mit Schreiben vom selben Tag wiederholte die Antragsgegnerin die Forderung nach Mehrvergütung (AS7) und wies das die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.9.2019 zurück (AS8). Mit Schreiben vom 13.9.2019 reduzierte die Antragsgegnerin die Mehrvergütungsforderung auf 10 €/m2 (AS10).

Im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt die Antragstellerin die Anordnung des unverzüglichen Ausführungsbeginns der vertragsgegenständlichen Leistungen im Haus 2, hilfsweise die Feststellung der unberechtigten Leistungsverweigerung durch die Antragsgegnerin dort sowie die Feststellung der unberechtigten Leistungsverweigerung im Haus 1.

Sie hält den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderlich und verweist u.a. auf die Höhe des drohenden Mietausfallschadens im Falle verspäteter Fertigstellung.

II.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügungen ist zurückzuweisen, weil er im Antrag zu 1a unbegründet und in den Anträgen zu 1b und 2. unzulässig ist.

1. Antrag zu 1a – Erlass einer Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin, bezüglich des Hauses 2 die vertraglich geschuldeten Arbeiten unverzüglich, spätestens am 4.10.2019 zu beginnen

a. Ein Anordnungsanspruch folgt nicht aus §§ 650b Abs. 2 BGB.

Nach der Regelung des § 650b BGB ist der Besteller berechtigt, Änderung des vereinbarten Werkerfolges (Nr. 1) oder Änderungen, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig sind (Nr. 2) vom Unternehmer zu verlangen. Sofern die Parteien kein Einvernehmen über die Änderung sowie die veränderte Vergütungshöhe erzielen, berechtigt das Gesetz in Abs. 2 den Besteller unter den dort genannten Voraussetzungen zur verbindlichen Anordnung der Leistungsänderung. Für Streitigkeiten über das Anordnungsrecht befreit § 650d BGB ab Beginn der Bauausführung im einstweiligen Verfügungsverfahren vom Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes.

Nach Auffassung der Kammer ist im Streitfall der sachliche Anwendungsbereich des § 650b Abs. 2 BGB nicht eröffnet, weshalb der Erlass einstweiliger Verfügungen unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ausscheidet.

Die Berechtigung zu Anordnungen gemäß § 650b Abs. 2 BGB setzt eine Leistungsänderung durch den Besteller i.S.d. Abs. 1 voraus, woran es im Streitfall fehlt. Denn in der Sache geht es der Antragstellerin nicht um die Durchsetzung einer solchen Änderungsanordnung, sondern schlicht darum, die Antragsgegnerin dazu zu bewegen, die sich aus dem Ursprungsvertrag ergebende Hauptleistungspflicht zu erfüllen und ihre Arbeit aufzunehmen.

Gegenüber der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin keine Änderungsanordnung getroffen. Die Antragstellerin bezeichnet selbst die streitauslösende Übersendung des aktualisierten Bauzeitenplans nicht als Änderungsanordnung, sondern als koordinatorische Maßnahme der Bauablaufsteuerung, die aus bereits eingetretenen Verzögerungen auf der Baustelle erforderlich geworden sei. Diese Auffassung ist nach Auffassung der Kammer zutreffend. Die Veränderung der Bauzeitplanung und Übersendung an Auftragnehmer betrifft weder, den „vereinbarten Werkerfolges“ gemäß § 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB noch ist Festsetzung eines neuen Termins für den Leistungsbeginn sowie die Überarbeitung/Verkürzung der Ausführungszeiträume im Streitfall eine Änderung, die im Sinne der Vorschrift (Nr. 2) „zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig“ wäre. Die Regelung in Nr. 2 zielt auf Änderungen ab, bei denen der Werkerfolg notwendigerweise auf eine andere Art der Ausführung (z.B. Änderung der zu verwendenden Stoffe, des Verfahrens u.ä.) zu bewirken ist. Als geschuldeten Werkerfolg hat dabei das Gesetz jeweils das mit dem in Anspruch genommenen Unternehmer vereinbarte Werk im Blick; keinesfalls das Gesamtprojekt, für dessen Realisierung eine Vielzahl von Unternehmern jeweils Teile als Werk i.S.d. § 631 Abs. 1 BGB schulden. Terminliche Bestimmung eines neuen Zeitpunktes für den Beginn und die Dauer der Ausführung stellen keine Änderung im o.g. Sinne dar. Denn der Unternehmer bleibt unabhängig von Terminbestimmungen bzw. bei deren Hinfälligkeit zum alsbaldigen Beginn seiner Leistung verpflichtet und hat er sie innerhalb eines angemessenen Zeitraumes auszuführen. Bauzeitliche Änderungsanordnung können vor diesem Hintergrund deshalb nicht generell als zur Erreichung des vertraglich geschuldeten Werkerfolges im Sinne des § 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB „notwendig“ angesehen werden.

Ob im Streitfall die Übermittlung des aktuellen Terminplanes für die erfolgreiche Ausführung und Herstellung der von der Antragsgegnerin geschuldeten Leistung von Bodenbelags- und Plattenarbeiten „notwendig“ war, erscheint vor diesem Hintergrund nicht naheliegend; kann aber dahinstehen. Denn es geht der Antragstellerin im Verfügungsverfahren nicht um die einstweilige Regelung eines Ausführungsbeginns und -dauer unter Berücksichtigung des überarbeiteten Terminplanes. Stattdessen geht es schlicht und unabhängig von der Terminplanänderung um eine Anordnung zur Ausführung der schon nach dem Ursprungsvertrag geschuldete Pflicht zum Beginn und Ausführung der geschuldeten Bauleistung. Dies betrifft § 650b BGB nicht und liefert auch der Umstand, dass der Besteller fälschlicherweise der Annahme ist, sich einer Änderungsanordnung ausgesetzt zu sehen, nicht den Einstieg, einstweilige Verfügungen zum Bauablauf unter erleichterten Voraussetzungen des § 650d BGB zuzulassen.

2. Anders als die Antragstellerin meint, kommt eine einstweilige Verfügung nicht unter den allgemeinen Vorschriften (§§ 935, 938, 940 ZPO) in Betracht. Das scheitert daran, dass andernfalls die Hauptsache unzulässig vorweg genommen werden würde.

Nach h.M. sind im einstweiligen Rechtsschutz nur solche Maßnahmen zulässig, die wie im Arrestverfahrens ihrer Funktion gemäß auf die Sicherung einer prozessualen Rechtstellung ausgerichtet sind. In dieser Beschränkung auf den Sicherungszweck der Maßnahme wird die Rechtfertigung dafür gesehen, dass das Gesetz von einer „einstweiligen“ Verfügung spricht und ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren zur Verfügung stellt. „Einstweilig“ ist eine Verfügung, die ihrem Inhalt nach in einem Stadium stecken bleibt, das noch keine Erfüllung des Hauptanspruchs darstellt und ein obsiegendes Urteil im Hauptverfahren die bisher nur sichernden Maßnahmen ablösen kann. Nur in Ausnahmefällen werden demgegenüber „Befriedigungsverfügungen“ für zulässig gehalten. Sie sind nur dort gerechtfertigt, wo das Versagen einer einstweiligen Verfügung zu irreparablen Schäden des Antragstellers führen muss, so dass in einem anhängigen oder noch anhängig zu machenden Hauptverfahren die Rechtsverwirklichung des Antragstellers ins Leere gehen würde (vgl. MüKoZPO/Drescher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 938 Rn. 8, 16, 38). Typischerweise fallen hierunter existentielle Notlagen von Antragstellern, bei denen diese ohne auf die Befriedigung des Hauptsacheanspruchs gerichtete einstweilige Verfügungen im Ergebnis schutzlos blieben – effektiver Rechtsschutz wegen der Schwere und Nachhaltigkeit der Schäden bzw. Nachteile in einem Hauptsacheverfahren praktisch nicht mehr zu gewährleisten wäre. Befriedigungsverfügung haben aber nach h.M. die Ausnahme zu bleiben, und dürfen sie nicht für Teilbereiche des materiellen Rechts zum Regeltatbestand erhoben werden (a.a.O. Rn. 10 m.w.N.).

Im Streitfall zielt der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auf die endgültige Vornahme der vertraglich geschuldeten Hauptleistungspflicht (Aufnahme der Leistungserbringung) durch die Antragsgegnerin und nicht lediglich auf sichernde Maßnahmen ab, um in einem Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit des Anliegens zu klären und den Hauptanspruch durchzusetzen. Eine existentielle Notlage der Antragstellerin, d.h. ein besonderer Ausnahmefall für den Erlass einer Befriedigungsverfügung kann die Kammer nicht erkennen. Stattdessen wird die Ansicht vertreten, dass das Werkvertragsrecht der Antragstellerin in ausreichendem Maße Optionen zur Verfügung stellt, um den von der Antragsgegnerin vertraglich geschuldeten Werkerfolg auch im Falle dauerhaften Widerstandes (an deren Stelle) zu bewirken und dabei existenzvernichtende Nachteile bei der Antragstellerin nicht zu befürchten sind.

II. Antrag zu 1b und 2 – Feststellungsverfügungen

Die Anträge auf Erlass von Feststellungsverfügungen sind unzulässig. Einstweilige Verfügungen zur Regelung eines einstweiligen Zustandes sind zulässig, sofern sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheinen (§ 940 ZPO). Wie bei sämtlichen einstweiligen Verfügungen setzt deren zulässiger Erlass voraus, dass ihnen ein relevantes Maß an Eignung zukommt, den Zustand innerhalb eines streitigen Rechtsverhältnisses einstweilen zu regeln. Das fehlt hier nach Ansicht der Kammer. Die beantragten einstweiligen Verfügungen, festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt sei, die geschuldete Leistung mit der Begründung zu verweigern, die Antragstellerin hätte die Mehrkostennachträge im Zusammenhang mit der Änderung des Bauzeitenplans nicht beauftragt, sind nicht geeignet, einen relevanten Unterschied zur gegenwärtigen Sachlage zu bewirken. Die Feststellungsverfügungen sind nicht vollstreckbar und stünde es deshalb auch im Falle ihres Erlasses völlig im Belieben der Antragsgegnerin, zu entscheiden, ob sie die Arbeiten aufnehmen wolle oder nicht. Für eine einstweilige Regelung ihrer Leistungspflicht erscheinen die Feststellungsverfügungen deshalb ungeeignet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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