Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 4 U 103/18 – Urteil vom 07.02.2019
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 25, vom 06.08.2018 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für das Bauvorhaben Neubau von 4 WE, in … Hamburg (Malerarbeiten), eine Sicherheit in Höhe von EUR 8.308,49 zu stellen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung der Klägerin (§§ 517, 519, 520 ZPO) ist begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Stellung einer Sicherheit für ihre noch offenen Vergütungsansprüche aus dem Bauvertrag vom 23./27.09.2016 in Höhe von EUR 8.308,49 gegen die Beklagte zu.
1. Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie den Vertrag mit Schreiben vom 04.08.2017 gekündigt hat, nachdem die Beklagte ihrem Verlangen nach Stellung einer Sicherheit nicht nachgekommen war.
Der Unternehmer kann die Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. (jetzt § 650f Abs. 1 BGB) auch dann einklagen, wenn er zuvor den Bauvertrag nach einer trotz Fristsetzung unterbliebenen Stellung der Sicherheit nach § 648a Abs. 5 BGB a. F. gekündigt hat (Ingenstau/Korbion-Joussen, VOB, 20. Auflage, Anhang I, Rn. 224, 249; Kniffka/Schmitz, IBR-Online-Kommentar, Bauvertragsrecht, Stand 12.03.2018, § 650f BGB, Rn. 164; siehe auch KG BauR 2018, 1889, Rn. 23 f., juris, das ebenfalls ein Sicherungsverlangen nach einer Kündigung gemäß § 648a Abs. 5 BGB a. F. als berechtigt ansieht). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der im Urteil vom 06.03.2014 (NJW 2014, 2186) entschieden hat, dass der Unternehmer auch nach einer Kündigung des Bauvertrags die Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. verlangen kann. Dem Fall des BGH lag zwar keine Kündigung nach § 648a Abs. 5 S. 1 BGB a. F. zugrunde. Der BGH hat aber sich aber allgemein mit den Folgen einer Kündigung des Bauvertrags auf das Verlangen des Unternehmers nach einer Sicherheit befasst und ausgeführt, dass nach der vom 01.01.2009 bis 31.12.2017 geltenden Fassung des § 648a BGB das Sicherungsinteresse des Unternehmers im Vordergrund steht, was zur Folge hat, dass der Unternehmer auch noch nach einer Kündigung seinen sich dann ergebenden Vergütungsanspruch sichern lassen kann (BGH, a.a.O., Rn. 14). Dass dies etwa nicht im Falle einer Kündigung nach § 648a Abs. 5 BGB a. F. gelten sollte, hat der BGH in dieser Entscheidung nicht klarstellend angeführt. Hierfür gibt es auch keine Veranlassung. Der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt (BGH, a.a.O., Rn. 27). Der Gesetzeszweck ist mithin der Schutz des Unternehmers vor einem insolvenzbedingten Forderungsausfall. Dass dem Unternehmer diese Möglichkeit zur Sicherung seiner Ansprüche etwa verschlossen werden sollte, wenn er sein Recht aus § 648a Abs. 5 BGB a. F. zur Vertragskündigung ausgeübt hat, lässt sich nicht rechtfertigen. Denn auch nach einer Kündigung bleibt das Interesse des Unternehmers am schnellen Erhalt einer Sicherheit bestehen, bevor er in einem oft langwierigen Rechtsstreit seinen Vergütungsanspruch titulieren lassen kann in der Hoffnung, dass eine Vollstreckung dann noch erfolgreich sein wird. Es besteht kein Grund, den Unternehmer im Hinblick auf sein berechtigtes Sicherheitsverlangen schlechter zu stellen, wenn er zuvor den Vertrag nach § 648a Abs. 5 BGB a. F. gekündigt hat. Die verschiedenen Rechte des Unternehmers nach § 648a Abs. 1 und 5 BGB a. F. schließen sich nämlich nicht aus, sondern stehen zum Teil nebeneinander (Ingenstau/Korbion-Joussen, a.a.O., Rn. 205). Soweit der BGH in seinem Urteil vom 23.11.2017 (NJW 2018, 549, Rn. 27) ausgeführt hat, dass der Unternehmer die Wahl habe, ob er bei Nichtleistung der Sicherheit auf die Leistung der Sicherheit klagt oder den Vertrag kündigt, ist darauf hinzuweisen, dass es in dieser Entscheidung nicht etwa um die Frage ging, ob einem Sicherheitsverlangen eines Unternehmers eine vorherige Kündigung nach § 648a Abs. 5 BGB a. F. entgegen stand. Der BGH hätte sich dann auch mit seinem oben angesprochenen Urteil vom 06.03.2014, wonach der Unternehmer die Sicherheit auch noch nach einer Kündigung des Bauvertrags verlangen kann, auseinandersetzen müssen. Dies hat er jedoch nicht getan, woraus sich entnehmen lässt, dass er seine im Urteil vom 06.03.2014 getroffene allgemeine Aussage zur Berechtigung des Unternehmers, auch nach einer Kündigung eine Sicherheit vom Besteller zu verlangen, nicht einschränken wollte.
2. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist das Sicherungsverlangen der Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich. Dahinstehen kann, ob die Behauptung der Beklagten, wonach die Klägerin die Frist zur Stellung der Sicherheit bewusst so bestimmt habe, dass sie einen Tag vor Ablauf der von der Beklagten gesetzten Mängelbeseitigungsfrist endete, und ob man ein solches Verhalten überhaupt rügen könnte. Denn es stellt keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen (BGH NJW 2018, 549).
3. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kommt es auch nicht darauf an, ob – wie die Beklagte meint – die Klägerin ihr Recht zur Mängelbeseitigung verloren hat und sie damit nicht mehr vorleistungspflichtig ist. Denn im Unterschied zur früheren Rechtslage stellt § 648a Abs. 1 BGB in der vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht mehr auf abzusichernde Vorleistungen ab, sondern nur auf den offenen, nicht bezahlten Vergütungsanspruch des Unternehmers (so zutreffend Ingenstau/Korbion-Joussen, a.a.O., Rn. 251; dies verkennt Münchener Kommentar-Busche, BGB, 7. Aufl., § 650f, Rn. 34, der sich auf die BGH-Rechtsprechung zu § 648a BGB in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung bezieht).
4. Soweit die Beklagte meint, die von der Klägerin gesetzte Frist zur Stellung der Sicherheit sei zu kurz gewesen, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit für den Klaganspruch. Das Sicherungsverlangen der Klägerin nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. setzt nämlich keine vorherige Fristsetzung voraus. Es ist auch unabhängig von der Frage berechtigt, ob die Kündigung nach § 648a Abs. 5 BGB a. F. vom 04.08.2017 wirksam war.
5. Die Höhe der von der Klägerin verlangten Sicherheit in Höhe von noch EUR 8.308,49 ist in zweiter Instanz unstreitig.
6. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Anlass, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.