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Schadensersatz bei fehlgeschlagener Selbstvornahme

Abzug neu für alt bei Flachdachsanierung

OLG München – Az.:28 U 95/19 Bau – Verfügung vom  11.03.2019

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.12.2018, Az. 8 O 134/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

I. Urteil des Landgerichts

Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von etwa 21.000 Euro und wies die Klage im Übrigen ab.

Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Beklagte ein Dach mangelhaft errichtet hatte und daher zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Klageabweisung im Übrigen beruht auf einem Abzug „neu für alt“ und auf erfolglosen Schadensbeseitigungskosten.

II. Berufung der Klägerin

Die Klägerin greift mit ihrer Berufung die „Klageabweisung im Übrigen“ zum Teil an.

Der Abzug „neu für alt“ sei zu hoch bemessen und insoweit stünden der Klägerin weitere knappe 10.000 € zu; auch sei die Abweisung erfolglosen Schadensbeseitigungsmaßnahmen im Umfang von etwa 6.000 € unberechtigt.

III. Einschätzung des Senats

Nach Einschätzung des Senats hat die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht im Übrigen abgewiesen:

1. Die Klageabweisung wegen des Abzugs „Neu für Alt“ ist nicht zu beanstanden.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Selbstvornahmekosten gem. § 637 Abs. 1 BGB für die Sanierung des von der Beklagten errichteten Flachdachs.

Mit der Berufung wurde der vom Gericht angesetzte Abzug „Neu für Alt“ angegriffen. Die Klägerin meint, dass die Lebenserwartung des Daches nicht 25 Jahre betrage, sondern mit fünfzig Jahren anzusetzen sei. Zudem sei die Gewährleistungsfrist herauszurechnen.

b) Der Senat folgt dem nicht:

1) Das Landgericht hat den Abzug „Neu für Alt“ nach § 287 ZPO geschätzt.

Die Schätzung ist vertretbar, Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Da im Berufungsverfahren keine Bindung bei der Ausübung eines Ermessens besteht (§ 529 Abs. 2 S. 2 ZPO), muss das Berufungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung vornehmen. Der Senat macht sich die Ermessensausübung des Erstgerichts zu Eigen.

2) Der Abzug „Neu für Alt“ ist eine Billigkeitskorrektur der Rechtsprechung, die aus dem Grundsatz der Naturalrestitution das Verbot ableitet, dass der Geschädigte am Schadensereignis verdient. Die von Wertungen durchzogene Einzelfallrechtsprechung zu dieser Vorteilsausgleichung stellt teilweise darauf ab, ob ein „Gebrauchmarkt“ vorliegt, ob der Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit greift oder ob die Dauer der Nutzungsmöglichkeit erheblich oder spürbar erhöht wurde, wobei hier teilweise weiter unterschieden wird zwischen linearer und degressiver Abschreibung.

Im Werkvertragsrecht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung von den allgemeinen Grundsätzen Einschränkungen entwickelt, wonach ein Abzug nur in Betracht kommt, wenn sich ein Mangel verhältnismäßig spät auswirkt und der Auftraggeber bis dahin keine Gebrauchsnachteile hatte. Diese Wertung folgt aus den Besonderheiten des Werkvertragsrechts, wonach der Auftraggeber einen Anspruch gerade auf eine neue Sache hat, die zudem mangelfrei zu erstellen ist. Die im Werkvertragsrecht ergangene Rechtsprechung will verhindern, dass Gewährleistungspflichten zu einer Besserstellung des vertragswidrigen Unternehmers führen.

Schadensersatz bei fehlgeschlagener Selbstvornahme
(Symbolfoto: Von Brian Clifford/Shutterstock.com)

Kommt ein Abzug in Betracht, muss im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung die Vor- und Nachteile zu einer Rechnungseinheit verbunden und der Abzug nach § 287 ZPO geschätzt werden.

3) Die vom Erstgericht vorgenommene Schätzung begegnet keine Bedenken und der Senat macht sich die Schätzung zu Eigen.

Bei dem Abzug „Neu für Alt“ wurde zutreffend die Lebenserwartung des Dachs mit 25 Jahren berücksichtigt. Soweit das Landgericht angenommen hat, dass die Klägerin durch die Sanierung des Daches einen spürbaren Vorteil erfahren hat, schließt der Senat sich dem an. Die Klägerin konnte beanstandungsfrei das Dach über einen Zeitraum von zwölf Jahren nutzen, ohne dass es zu einer Einschränkung in der Nutzung kam. Der Zeitraum ist erheblich.

(1)

Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn das Landgericht sich bei der Schätzung an der Lebensdauer des Dachs orientiert.

Der Senat teilt auch die Einschätzung des Gerichts, wonach die Lebensdauer mit 25 Jahren zu bemessen ist. Es gibt keine – wie die Berufung meint – festen Rechtssätze, wonach bei der Schätzung zwischen Mindestdauer, üblicher Dauer, Lebenserwartung o. ä. differenziert werden muss. Maßgeblich ist im Wege einer Billigkeitsabwägung eine stimmige Bewertung der Vor- und Nachteile. Der im Termin vernommene Sachverständige gab an, dass eine Flachdachkonstruktion per se sensibel und problemanfällig ist. Gerade die Nähte sind schadensanfällig und ein Dach müsse 25 Jahre halten. Die Nähte hätten eine Lebensdauer von 25 Jahren und da sie vorliegend fehlerhaft ausgeführt seien, hätten sie diese Lebensdauer nicht erreicht. Auch gab der Sachverständige auf Nachfrage an, dass im Einzelfall eine längere Lebensdauer vorkommen kann und dass von einer Lebensdauer von mindestens 25 Jahren auszugehen sei.

Das Erstgericht hat nach § 286 ZPO die Angaben des Sachverständigen ausreichend gewürdigt und hierbei angenommen, dass eine typische Lebenserwartung von 25 Jahren anzusetzen ist. Da vorliegend keine Zweifel oder Anhaltspunkte an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen vorliegen, legt der Senat diese Einschätzung zu Grunde. Der Sachverständige hat mehrfach die Lebensdauer mit 25 Jahren ohne weitere Einschränkung angenommen und erst auf die entsprechende Nachfrage die Lebensdauer mit „mindestens“ bezeichnet. Der Senat teilt die Einschätzung des Erstgerichts, wonach bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Angaben des Sachverständigen eine Lebenserwartung des Flachdachs von 25 Jahren zu Grunde zu legen ist. Die Klägerin geht in ihrer Berufung isoliert auf eine Zeile der umfangreichen Vernehmung ein und versäumt es, diese Angabe in den gesamten Kontext zu setzen.

(2)

Da keine Zweifel oder Anhaltspunkte an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen vorliegen, ist eine Neuvernehmung des Sachverständigen nicht veranlasst.

Die Rüge der Berufung geht fehl, dass das Gericht Beweisangebote übergangen hat, da die Lebenserwartung des Dachs sachverständig beraten festgestellt wurde, allerdings mit einem anderen Ergebnis als von der Klägerin erhofft.

(3)

Die weitere lineare Berechnung wurde nicht angegriffen.

Die Berechnung ist vertretbar und aus Sicht des Senats ist vorliegend eine lineare Berechnung für die anzustellende Schätzung geeignet.

c) Soweit die Berufung weitere fünf Jahre bei dem Abzug „Neu für Alt“ in Abzug bringen möchte, folgt der Senat dem nicht.

Die Berufung stützt sich auf eine nicht einschlägige BGH Entscheidung (NJW 1987, 2457) und verkennt maßgebliche Wertungen des Schadensrechts.

In der zitierten Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass im Regelfall eine verzögerte Mangelbeseitigung dem Abzug „Neu für Alt“ entgegensteht. Auch hat der BGH Wertungen des Gewährleistungsrechts bei der Gesamtbetrachtung einfließen lassen. Der Entscheidung ist aber nicht der Grundsatz zu entnehmen, dass die Gewährleistungsdauer in Abzug zu bringen ist. Der Senat sieht hierfür auch keine Veranlassung.

(1)

Der Abzug „Neu für Alt“ will sicherstellen, dass der Geschädigte durch die Schadensbeseitigung nicht bessergestellt wird. Berücksichtigt man nun, dass im Kaufvertragsrecht die Ausübung bestimmter Gewährleistungsrechte zu einer Besserstellung des Käufers führt (sog. Kettengewährleistung), dass im Werkvertragsrecht u. a. in § 13 VOB/B eine eigenständige Gewährleistung für Mängelbeseitigungsarbeiten verankert ist oder dass die Rechtsprechung über die Subsumtion der Nachbesserung unter § 212 BGB einen Neubeginn der Verjährung annimmt, zeigt sich, dass hier entsprechende Vorteile bereits eher im Lager des Auftraggebers liegen. Eine erneute Berücksichtigung der Gewährleistungsfrist (hier von fünf Jahren, d. h. bei einer Lebenserwartung von 25 Jahren insgesamt 20 Prozent) würde zu einer nicht erklärlichen Besserstellung führen.

Darüber hinaus hat im konkreten Fall die Klägerin im Wege der Ersatzvornahme neue (eigenständige) Werkverträge geschlossen, die ihrerseits entsprechende Gewährleistungsfristen auslösen. Eine erneute Berücksichtigung ist nicht angezeigt.

(2)

Zuletzt würde die Herausnahme der Gewährleistungsfristen zu einer rechnerisch nicht gerechtfertigten Besserstellung führen.

Angenommen bei einem Wirtschaftsgut mit einer Lebenserwartung von sechs Jahren zeigt sich kurz vor Ablauf der fünf jährigen Gewährleistungsfrist ein Mangel, der zu einer Neulieferung/Neuherstellung führt. Die Lebensdauer verlängert sich in einem solchen Fall um fünf Jahre (sechs Jahre Lebenserwartung minus ein Jahr Restlebenserwartung). Mit dem von der Klägerin gewählten Ansatz würde die gesamte Verlängerung der Lebensdauer durch die Gewährleistungsfristen aufgezehrt, was offensichtlich der unzutreffende Ansatz ist, die wechselseitigen Vor- und Nachteile auszugleichen.

(3)

Die von der Berufungsführerin beantragte Zulassung der Revision gegen diesen Beschluss kommt im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht Betracht, da für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben wären, eine mündliche Verhandlung geboten und vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand zu nehmen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, ergeben sich im vorliegenden Fall aber weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den Umständen.

Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht bei ungeklärten oder interessanten Rechtsfragen vor. Eine „grundsätzliche“ Bedeutung meint – das ist das Wesen der Revision -, dass die Klärung der Rechtsfrage für eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich ist, entweder weil das Problem entscheidungserheblich für eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen ist oder mehrere Oberlandesgerichte eine Rechtsfrage konträr beurteilen. Beides liegt offensichtlich nicht vor und der Senat sieht sich durchaus in der Lage, die vorliegenden Rechtsfrage zu beantworten.

d) Soweit die Berufung rügt, dass ein Abzug mangels substantiiertem Vortrag nicht berücksichtigt werden durfte, greift dieser Einwand nicht.

Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung und zu diesem Zeitpunkt war der Sachverhalt durch Vernehmung des Sachverständigen entsprechend geklärt.

2. Die Klageabweisung wegen der erfolglosen Mangelbeseitigungsmaßnahmen (Rechtsgedanke des § 254 BGB) ist nicht zu beanstanden.

Der Senat stimmt der Klägerin zwar insoweit zu, als Kosten einer erfolglosen Ersatzvornahme durchaus nach § 637 BGB erstattungsfähig sein können. Mit der Pflichtverletzung seitens des Unternehmers durch Erstellung eines mangelhaften Werks und der nicht erfolgten Nachbesserung, ist es nicht unbillig, dass dieser das Risiko von erfolglosen Maßnahmen trägt.

Dieser Grundsatz erfährt aber die Einschränkung, dass Maßnahmen nur erstattungspflichtig sind, die ein vernünftiger Besteller als Berechtigter ergreifen würde. Hiervon gehen sowohl das Erstgericht als auch die Berufung aus. Das Erstgericht sah aber eine zwingende Notwendigkeit, einen Fachmann einzuschalten; dieser hätte sofort die „große“ Maßnahme der Dachsanierung durchgeführt.

(1)

Da keine Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen bestehen, ist der Senat an diese Feststellung gebunden.

Die Berufung zeigt entsprechende Zweifel nicht auf und der Senat hat vor dem Hintergrund der Anhörung des Sachverständigen keine Zweifel.

(2)

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht annimmt, dass es für die Klägerin subjektiv erkennbar sein musste, dass vorliegend ein Sachverständiger oder Fachmann einzuschalten war. Allein das Auftreten von Wasserproblemen in Bauwerken – das ist allgemein bekannt – ist ein ernstes Problem. Sowohl die Ermittlung der Ursache von Wasserschäden, die Ermittlung von Wasserwegen, vor allem aber auch drohende Folgeschäden von eintretender Feuchtigkeit – Schimmelbefall, Substanzverlust, u.w. – erfordern ein hohes Maß an Sensibilität. Vorliegend kommt hinzu, dass die Probleme erst zwölf Jahre nach Errichtung auftraten und zudem beim Dach, wo die Wasserwege für Laien nicht mehr abschätzbar sind. Die Gesamtumstände zwingen einen verständigen Geschädigten, einen Sachverständigen /Fachmann einzuschalten. Die Klägerin kann angesichts des Symptoms nicht abschätzen, seit wann ein Mangel vorliegt, seit wann dieser Mangel „arbeitet“ und welche Folgeschäden verursacht wurden.

(3)

Hinzu kommt, dass die Einschaltung eines Fachmanns objektiv erforderlich war.

So verstand das Erstgericht die Angaben des Sachverständigen – und die Beweiswürdigung des Erstgerichts gem. § 287 ZPO lässt Fehler nicht erkennen – , dass das vorliegende Gewerk komplex ist und eine sichere Beurteilung ohne Sachkunde nicht möglich ist. Aufgrund einer Gesamtschau von vier Indizien – der schadhaften Abdichtung aufgrund der fehlerhaften Überlappungen, die Schadhaftigkeit des Holzes bei der Aufkantung, der Nichtanschluss der Dampfbremse und die nicht ordnungsgemäße Dämmung – kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass die von der Klägerin zunächst ergriffenen „kleinen“ Maßnahmen der Schadensbeseitigung durch Abdichtung der Nähte nicht ausreichend und eine unmittelbare Sanierung des Daches angezeigt war.

Da ein verständiger Geschädigter einen Sachverständigen/Fachmann beauftragt und dieser die Dachsanierung empfohlen hätte, sind die erfolglosen Aufwendungen nicht erstattungsfähig.

(4)

Soweit die Berufung meint, dass Teile der Kosten erstattungsfähig sind, da sie nicht nutzlos waren, folgt der Senat dem nicht.

Entscheidungserheblich ist allein, dass der Verwalter angesichts der Gesamtumstände keine Einzelmaßnahmen in Auftrag geben durfte, sondern eine Sachverhaltsaufklärung zwingend geboten war. Dass durch die Einzelmaßnahmen eine Erkenntnismehrung eintrat, ist unstreitig, aber irrelevant. Zu berücksichtigen wären allenfalls objektiv zu treffende Aufklärungsmaßnahmen und eine durchgeführte Einzelmaßnahme ist ein „Mehr“ und kann nicht als „Minus“ berücksichtigt werden.

Der Senat regt die Rücknahme der Berufung an. Hierzu bzw. zur Stellungnahme zu diesem Hinweis besteht Gelegenheit bis zum 09.04.2019.

 

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