Erwerber oder Bauträger?
OLG Köln – Az.: 16 U 114/19 – Urteil vom 18.12.2019
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.05.2019 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 90 O 156/18 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Die Beklagte betraute die A GmbH in B mit Bauvertrag vom 02.11.2015 (Anlage K 1 – Bl. 1 ff. AH) mit der schlüsselfertigen Erstellung einer Eigentumswohnanlage mit 15 Wohneinheiten auf den Grundstücken C 23 und 25 in D einschließlich des vorherigen Abbruchs der dort aufstehenden Wohnhäuser. Die dafür vorgesehene Vergütung war mit netto 5.210.084,03 Euro vereinbart; das Masserisiko war von der Klägerin übernommen worden (§ 3 Abs. 2 des Vertrages).
Nach § 3 Abs. 3 des Bauvertrages sollten für zusätzliche, im Vertrag nicht vorgesehene, aber vom Auftraggeber geforderte Leistungen Nachtragsangebote vorgelegt und die Leistungen aus Beweisgründen erst nach schriftlicher Auftragserteilung ausgeführt werden, es sei denn, die Leistungen sind zur Vertragserfüllung notwendig und eine Entscheidung des Auftraggebers konnte nicht mehr herbeigeführt werden. Die Ausführung von Nachtragsleistungen bis zu netto 5.000,00 Euro sollte mündlich beauftragt werden können, ab einem Auftragsvolumen von netto 5.000,00 Euro war schriftliche Beauftragung erforderlich. Die Beklagte, die das mit der geplanten Gebäudeanlage zu bebauende Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt hatte, veräußerte die zu errichtenden Wohneinheiten an mehrere Erwerber.
Im Zuge der Errichtung des Bauvorhabens kam es auf Wunsch einzelner Erwerber zu teilweisen Abänderungen des vorgesehenen Leistungssolls der Klägerin. Die Sonderwunschleistungen wurden von der Rechtsvorgängerin der Klägerin erbracht, die hierüber Kostenaufstellungen für die Beklagte fertigte (Anlagen K 2, K 3 – Bl. 15 ff. AH I) und die ausgeführten Sonderleistungen der Beklagten – neben Zusatzleistungen zum Hauptvertrag (Bl. 136 AH I) im Werte von 203.786,17 Euro – unter dem 11.07.2018 in Rechnung stellte (Bl. 137 ff. AH I). Die Gesamthöhe dieser Zusatzleistungs-Rechnungen beläuft sich auf 1.651.274,91 Euro; davon hat die Klägerin geleistete Zahlungen der Beklagten in Höhe von 624.367,18 Euro in Abzug gebracht. Daneben hat die Klägerin – ebenfalls unter dem 11.07.2018 – die Leistungen aus dem Hauptauftrag mit insgesamt 6.200.000,00 Euro abgerechnet (Bl. 135 AH I), auf den von der Beklagten 5.649.000,00 Euro gezahlt worden sind.
Die Klägerin hat vorprozessual aus dem Hauptauftrag noch restliche (455.000,00 Euro + 96.000,00 Euro =) 551.000,00 Euro (vgl. Bl. 135 AH I) zuzüglich 203.786,17 Euro an Zusatzleistungen (Bl. 136 AH I: „nicht freigegebene Nachträge“) – insgesamt also 754.786,17 Euro – geltend gemacht. Hinzugerechnet hat sie Sonderwunschleistungen an Wohneinheiten der Erwerber im Gesamtwert von 1.651.274,91 Euro (Bl. 137 ff. AH I) und von diesem Gesamtbetrag die unstreitig von der Beklagten hierauf geleisteten Zahlungen in Höhe von zusammen 624.367,18 Euro abgezogen (Bl. 146 AH I).
Die Beklagte hat die ihr erteilten Rechnungen der Klägerin vom 11.07.2018 (Bl. 135 ff. AH I) geprüft und hat dabei im Rahmen einer von ihr erstellten synoptischen Aufstellung (Anlage K 9 – Bl. 146 AH I)
– bei dem Vergütungsbetrag für den Hauptauftrag vermerkt, dass „Minderkosten für den Innenausbau E/F im SoWü berücksichtigt“ seien,
– die Nachtragsforderung bezüglich des Hauptauftrags mit lediglich 75.000,00 Euro angesetzt für „Fassade, Gehölz und Öltank“, der Rest sei in Massenmehrungen GU-Vertrag enthalten,
– von der Hauptauftragsvergütung einen Betrag von 66.570,00 Euro wegen nicht anerkannter Skonti abgezogen,
– von dem ermittelten Restvergütungsbetrag von 1.586.337,73 Euro einen angeblichen Verzugsschaden in Höhe von 629.424,12 Euro abgezogen,
– Einbehalte der Erwerber in Bezug auf die Sonderwünsche in Gesamthöhe von 450.000,00 Euro abgezogen,
– den nach Vornahme der Abzüge nach ihrer Berechnung verbleibenden Betrag von 506.913,61 Euro gleichwohl nicht an die Klägerin bezahlt.
Die Beklagte erteilte den Erwerbern über die von der Klägerin erbrachten und mit ihr (der Beklagten) abgerechneten Sonderwunschleistungen entsprechende Rechnungen und reichte auch den von der Klägerin angesetzten GU-Zuschlag von 15 % weiter. Die Erwerber leisteten an die Beklagte hierauf auch Zahlungen, die von der Beklagten vereinnahmt wurden. Über den von der Klägerin abgezogenen Gesamtbetrag von 624.367,18 Euro hinausgehende Zahlungen oder Auskehrungen der auf die Sonderwunschleistungen an sie erbrachten Zahlungen der Erwerber nahm die Beklagte im Hinblick auf von ihr behauptete Gegenforderungen gegenüber der Klägerin nicht vor.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte setzte der Klägerin im Oktober 2018 mehrfach – zuletzt bis zum 23.10.2018 – Fristen zur Nacherfüllung und forderte sodann eine Stellungnahme zu bereits gerügten Mängeln. Die Klägerin reagierte hierauf unter dem 29.10.2018 und verlangte von der Beklagte die Gestellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648 a BGB a.F. in Höhe des von ihr ermittelten Restwerklohns von 1.586.337,73 Euro nebst 10 % für Nebenforderungen bis zum 02.11.2018. Die Beklagte wies diese Forderung unter dem 07.11.2018 zurück und setzte der Klägerin eine Frist zur Mängelbeseitigung bis 21.11.2018, wobei sie zugleich einen Vertragsrücktritt androhte. Nach weiterer fruchtloser Aufforderung zur Rückmeldung zu einzelnen Positionen und nach Unterbleiben einer Teilnahme der Klägerin an einem Nachbegehungstermin erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Generalunternehmervertrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Gestellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648 a BGB a.F. in Höhe von 1.744.971,50 Euro insbesondere durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren oder durch Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich des BGB zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1.662.471,53 Euro stattgegeben und die restliche Klage abgewiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach gänzlicher Klageabweisung weiter.
Sie macht im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe Sachvortrag der Beklagten übergangen und gebotene rechtliche Hinweise nicht erteilt. Zwischen den Parteien bestehe kein Werkvertragsverhältnis in Bezug auf die Sonderwünsche der Erwerber. Die Aufstellung vom 02.10.2018 (Anlage K 9) stelle kein Rechnungsanerkenntnis dar. Die Vergütungsforderung in Bezug auf die Nachträge und die Sonderwunschleistungen sei nach Grund und Höhe nicht schlüssig vorgetragen. Für die Annahme einer Sonderwunsch-Beauftragung fehle es an der notwendigen Schriftform. Die Geltendmachung des Sicherungsverlangens sei zudem treuwidrig. Der Restvergütungsforderung stünden Gegenforderungen in Höhe von etwa 1 Mio. EUR gegenüber.
Die Klägerin firmiert seit dem 23.10.2019 (Eintragung im Handelsregister) wie im Eingang des Urteils festgestellt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.05.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihren Vortrag erster Instanz und verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die formell unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Auf die in erster Instanz an der Zulässigkeit des Klageantrags erhobenen Bedenken ist die Beklagte in der Berufung nicht mehr zurückgekommen.
Diese Bedenken bestehen auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die Beklagte der A GmbH zur Gestellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648 a BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (BGB a.F.) in Höhe von 1.662.471,53 Euro verpflichtet ist.
Ein solcher Anspruch auf Sicherheitsleistung setzt das Bestehen eines Vergütungsanspruchs des Unternehmers eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon für die – auch in Zusatzaufträgen – vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehörender Nebenforderungen voraus.
1. Die Klägerin ist als Firmennachfolgerin der A GmbH Unternehmerin, die Beklagte Bestellerin der in dem Bauvertrag vom 02.11.2015 vereinbarten Werkleistungen.
Der Anspruch auf Sicherheitengestellung besteht ab Entstehung des Vergütungsanspruchs (Abschluss des Werkvertrages) bis zur vollständigen Befriedigung der von § 648a BGB a.F. erfassten Ansprüche („noch nicht gezahlte Vergütung“ – vgl. BGH NJW 2014, 2186 Tz. 14 = NZBau 2014, 343; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 648 a BGB a.F. Rn. 13). Dabei bildet eine vollständige Erbringung der Unternehmerleistung oder deren Abnahme keine zeitliche Grenze; der Anspruch besteht auch nach einer Kündigung des Werkvertrages fort (BGH, a.a.O.; OLG Koblenz BeckRS 2016, 20952; OLG Celle BauR 2012, 702), allerdings nur in dem Umfang, in welchem der Unternehmer dann noch eine Vergütung fordern kann.
2. Der Unternehmer muss nach einer Vertragskündigung durch den Besteller die ihm nach solcher Kündigung zustehende Vergütung regelmäßig lediglich schlüssig darlegen; beweisen muss er streitig gebliebene Vertragsgrundlagen nicht (BGH, a.a.O., Rn. 26), was sich sowohl aus dem Wortlaut des § 648 BGB a.F. als auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergebe. Der Wortlaut des § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. spricht insoweit von „vereinbarter“ Vergütung, nicht von „verdienter“ Vergütung. Der Sinn des Sicherheitenverlangens besteht in der Befugnis des Unternehmers, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt (BGH, a.a.O. Rn. 27 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/511, S. 1). Dieser Zweck würde aber gefährdet, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechnung des Vergütungsanspruchs erst langwierig aufgeklärt werden müssten und der Besteller in diesem Zeitraum der Aufklärung zahlungsunfähig würde.
Geht es dagegen um ursprünglich nicht geschuldete Leistungen und entsprechende Mehrvergütungsansprüche begründende Nachvertragsvereinbarungen, sind insoweit streitig gebliebene Nachtragsvertragsgrundlagen dagegen nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen auch im Prozess um die Stellung einer Sicherheit für die Nachtragsforderungen aufzuklären (vgl. zum Streitstand: OLG Stuttgart NJW 2018, 472, 474 = BeckRS 2017, 122242).
Die Klägerin hat die von ihr zu beanspruchende werkvertragliche Vergütung nach den Feststellungen des Landgerichts in Höhe von 1.662.471,53 ausreichend dargelegt.
Die Berufung weckt an der Berechtigung der vom Landgericht festgestellten Vergütungsforderung bzw. den diese Forderung ausmachenden Positionen keine Zweifel.
Im Einzelnen:
(1) Restvergütung Hauptauftrag: 484.430,00 Euro
Die Hauptauftragsvergütung ist im Bauvertrag festgeschrieben, ebenso der Umfang des erteilten Hauptauftrages. Die Vergütung beträgt brutto 6.200.000,00 Euro.
Soweit Leistungen entfallen sind, sei es aufgrund der Vertragskündigung, sei es aufgrund einvernehmlicher „Herausnahme“ wegen vorrangiger Sonderwünsche einzelner Erwerber, hat die Beklagte solche „Minderkosten Innenausbau E/F“ in ihrer Bewertung der Sonderwunschleistungen „SoWü“ (Bl. 146 I AH) berücksichtigt. Ein entsprechender Abzug bei der Hauptauftragsvergütung hat also nicht zu erfolgen.
Die synoptische Kostenaufstellung der Beklagten Bl. 146 AH I war der Klägerin per E-Mail von der Beklagten übermittelt worden als Ergebnis einer eigenen Prüfung, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen (Klageschrift Seite 6 – GA 6) und das Landgericht festgestellt hat.
Der Antrag der Klägerin legt die eigene Berechnung der Beklagten zugrunde, von der das Landgericht allerdings – mangels näherer Darlegung seiner Zusammensetzung – noch den von der Beklagten eingestellten Zusatzvergütungsbetrag von 75.000,00 Euro abgezogen hat. Dies ist nicht zum Nachteil der Beklagten.
Damit bedurfte und bedarf es keiner weitergehenden Darlegung der Klägerin zu Inhalt und Abrechnungsumfang des – von der Beklagten gekündigten – Hauptauftrags.
Einwendungen gegen die entsprechenden Feststellungen zur Restvergütung aus dem Hauptvertrag werden mit der Berufung nicht aufgezeigt.
(2) Nachträge Hauptauftrag: 0,00 Euro
Die von der Klägerin geltend gemachten wie auch die von der Beklagten in der Aufstellung Bl. 146 AH I aufgeführten Nachträge in Höhe von 203.786,17 Euro (Klägerin) und von 75.000,00 Euro (Beklagte) sind vom Landgericht bei der Bemessung der Vergütungsforderung unberücksichtigt geblieben.
Dies beschwert die Beklagte nicht.
(3) Restvergütung Sonderleistungen: 1.026.907,73 Euro
Die Parteien streiten maßgeblich um die Frage, ob die Klägerin zu Bestehen und Höhe eines Vergütungsanspruchs gegen die Beklagte hinsichtlich der Sonderwunschleistungen ausreichend vorgetragen hat.
Für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Gestellung einer Bauhandwerker-Sicherung ist nicht der Nachweis, sondern die schlüssige Darlegung der Vertragsgrundlagen erforderlich, die die vereinbarte Vergütung deutlich machen (BGH NZBau 2014, 343; OLG Koblenz IBR 2016, 694; Cramer, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Aufl. 2018, § 650 f BGB Rn. 85).
Bei Zusatzleistungen bedarf es im Streitfall dagegen des Nachweises der für sie maßgeblichen Vergütungsvoraussetzungen. Die Voraussetzungen für eine von der Klägerin für die Sonderwunschleistungen beanspruchten werkvertraglichen Vergütung sind gegeben.
Eine solche Vergütungspflicht der Beklagten ergibt sich nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen insbesondere aus dem späteren Verhalten der Parteien (dazu Palandt/Ellenberger BGB, 78. Aufl., § 133 Rn. 17 m.w.N.) aufgrund eines eigenständigen Vertrages über die Ausführung nachträglicher Sonderwunschleistungen (§ 2 Abs. 1 VOB/B):
Die von den Erwerbern der Beklagten im Zuge der Realisierung des Bauvorhabens geltend gemachten Sonderwünsche betrafen sowohl Leistungen, die über die im Verhältnis der Beklagten zu den Erwerbern in den Veräußerungsverträgen (Bauträgerverträgen) festgelegten Leistungen hinausgingen, als auch solche – zusätzliche – Leistungen, die in den Bauträgerverträgen der Beklagten mit den Erwerbern nicht vorgesehen waren.
(a) Das vom Landgericht festgestellte Verhalten der Parteien spricht dafür, dass die Klägerin aufgrund entsprechender – nachträglicher – Beauftragung durch die Beklagte entgeltlich tätig werden sollte und damit für einen eigenständigen neuen Bau-Auftrag (§ 2 Abs. 1 VOB/B), der nicht im Haupt-Bauvertrag wurzelte, sondern maßgeblich die Innenausstattung der Wohnungen betraf, die von den Erwerbern selbst zu verantworten war.
Auftraggeber der Sonderwunsch-Werkleistungen gegenüber der Klägerin war danach die Beklagte, nicht aber deren Erwerber. Die gegenüber der Beklagten für diese Leistungen berechneten Zusatzvergütungen sind als unbestritten anzusehen.
Das ergibt sich aus folgenden, vom Landgericht festgestellten Umständen:
Die von ihr ausgeführten oder veranlassten Sonderwunscharbeiten erfolgten in Absprache mit den Erwerbern und auch der Beklagten, die hierin eingebunden war, auch wenn diese Leistungen an erster Stelle den Erwerbern zugutekommen und von diesen wirtschaftlich getragen werden sollten. Diese Absprachen sind zwar nicht als schriftliche Vereinbarungen dokumentiert, ergeben sich aber ohne weiteres aus der aktenkundigen und vom Landgericht festgestellten Vorgehensweise der Parteien. Diese Vorgehensweise lässt darauf schließen, dass die Klägerin und die Beklagte hinsichtlich der von den Erwerbern gewünschten – teilweise außerordentlich kostenträchtigen (vgl. die Korrespondenz Bl. 273 ff. AH II) und offenbar in den Bauträgerverträgen der Erwerber nicht vorgesehenen – Sonderleistungen dahin übereingekommen waren, dass diese Leistungen von der Klägerin als Generalunternehmerin ausgeführt oder veranlasst werden und sodann der Beklagten als Hauptauftraggeberin in Rechnung gestellt werden sollten, die dann ihrerseits im Verhältnis zu den Erwerbern abzurechnen hatte und diese Abrechnungen der Sonderwunsch-Leistungen auch im eigenen Namen gegenüber ihren Erwerbern tatsächlich vorgenommen hat.
Das Landgericht (UA 10 ff.) hat hierzu die Korrespondenz der Beklagten mit einzelnen Erwerbern ausgewertet und die Einwendungen der Beklagten gegen ihre Passivlegitimation zu Recht als widerlegt erachtet und die berechneten Sonderwunschleistungs-Vergütungen als vereinbart angesehen. Auf die entsprechenden, zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, denen der Senat beitritt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Durch diese Vorgehensweise hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin einerseits und gegenüber ihren Erwerbern andererseits als Auftraggeberin für diese Sonderwunschleistungen geriert. Rechtlich kann darin nach den in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur beschriebenen Vertragskonstellationen kein „selbständiger Sonderwunschvertrag“ („Handwerker-Sonderwunschvertrag“), sondern ein „scheinselbständiger Sonderwunschvertrag“ gesehen werden, bei welchem der Erwerber von Wohnungseigentum zwar mit einem Handwerker eine vertragliche Abrede über höherwertige Ausstattung trifft und diesem insoweit eine höhere Vergütung als diejenige für eine Standardausführung geschuldet wird, der Grundpreis der Ausstattung jedoch Gegenstand des Bauträgervertrages bleibt (vgl. Virneburg BauR 2004, 1681, 1682 m.w.N.). Soweit in der Literatur (vgl. Vogelheim BauR 1999, 117 unter Hinweis auf OLG Celle BauR 1998, 802) vertreten wird, ein Vertrag zwischen Erwerber und Handwerker komme nicht zustande, weil in Wirklichkeit – aus Gründen der Rechtsklarheit und Einheitlichkeit der Vergütungs- und Haftungsverhältnisse zwischen den Baubeteiligten – der Bauträger Herr des Geschehens bleibe mit der Folge, dass ein ausschließliches Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Erwerber bestehe, nicht aber zwischen Erwerber und Handwerker, wird diese Sicht im vorliegenden Fall durch die konkrete Handhabung der Abwicklung der Sonderwunschleistungen seitens der Parteien und der Erwerber bestätigt (vgl. auch Basty, Bauträgervertrag, 9. Aufl., K Rn. 948: im Zweifel kein selbständiger Vertrag des Erwerbers mit dem Handwerker).
Von der Annahme einer bloßen Zahlstellenfunktion für Zahlungen der Erwerber an die Klägerin – wie die Beklagte geltend macht – kann hiernach keine Rede sein.
Für die Annahme eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits hinsichtlich der hier in Rede stehenden Sonderwunschleistungen spricht schließlich der aus der Aufstellung der Beklagten (Bl. 146 AH I) zu entnehmende Umstand, dass die Erwerber der Beklagten dieser gegenüber Einbehalte hinsichtlich der zu ihren Gunsten ausgeführten Sonderwunschleistungen gemacht haben („IST-Einbehalte wegen möglicher falsch/zu hoch abgerechneter Sonderwünsche in Höhe von 100.000,00 Euro“ und „IST-Einbehalte wegen verbliebener Mängel in der Ausführung der Sonderwünsche in Höhe von 350.000,00 Euro“) und die Beklagte dies als Abzugsposten eingestellt hat.
Die Einhaltung der im Bauvertrag vom 02.11.2015 vorgesehenen Schriftform für die Abreden über die Durchführung der nachträglichen Sonderwunschleistungen bedurfte es angesichts der tatsächlichen Handhabung der Abrechnung dieser Leistungen durch die Parteien – jedenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) – nicht.
(b) Selbst wenn ein übereinstimmender Abschluss eines Vertrages über die Erbringung zusätzlicher Bauleistungen bezüglich der Sonderwunschleistungen zwischen den Parteien nicht anzunehmen wäre, wäre allerdings – wie vom Landgericht angenommen – eine Vergütungspflicht der Beklagten nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B anzunehmen.
Es wäre dann von einer vergütungspflichtigen Ausführung zusätzlicher Leistungen der Klägerin in Ansehung der Erwerber-Sonderwünsche auszugehen, die von der Beklagten – durch eigene Rechnungsstellung – akzeptiert worden ist.
Das Landgericht hat hier einen solchen Fall nachträglicher Billigung – zunächst ohne Auftrag der Beklagten – durchgeführter Leistungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B angenommen und dabei darauf abgestellt, dass die Beklagte die an sie gerichteten Sonderwunsch-Rechnungen der Klägerin (Bl. 137 ff. AH I) in eigene Abrechnungen gegenüber den einzelnen Erwerbern hat einfließen lassen (UA 9) und die Beklagte diese (Erwerber-) Zahlungen an die Beklagte geleistet haben (UA 9).
Auch ein Anspruch aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B kann – entgegen der Auffassung der Beklagten – Gegenstand eines Sicherheitenverlangens nach § 648 a BGB sein (OLG Stuttgart NJW 2018, 472 = BeckRS 2017, 122242 Rn. 48; OLG Koblenz BeckRS 2016, 20952; Funke in: Ganten/Jansen/Voit, Beck’scher Kommentar VOB/B, 3. Aufl. 2013, vor § 2 Rn. 339; Molt, in: beck-online Großkommentar zum BGB, Stand: 01.10.2019, § 650 f Rn. 38). Denn ein solcher Anspruch aufgrund nachträglichen Anerkenntnisses hat vertraglichen Charakter (OLG Stuttgart, a.a.O.).
(c) Wesentlich – für beide in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen – ist sodann die Festlegung des tatsächlichen Umfangs der zu erbringenden Sonderwunsch-Leistungen und der dafür zu beanspruchenden Vergütungen.
Eine solche Darlegung ist in der Rechnungsstellung der Klägerin vom 11.07.2018 (Bl. 137 ff. AH I) zu sehen, deren Aufschlüsselung die Beklagte – offenbar wegen ihrer Einbindung in die Sonderwunsch-Realisierung – nie verlangt hat. Da sie diese Leistungen selbst an die Erwerber – in nicht geringerem Umfang als die Rechnungen der Klägerin – weiterberechnet hat, weiß die Beklagte genau, was Gegenstand der einzelnen Sonderwunsch-Abrechnungen der Klägerin gewesen ist. Eine im hiesigen Rechtsstreit erfolgende Präzisierung dieser Leistungen ist danach entbehrlich.
(d) Für die Zusammensetzung und Höhe der Sonderwunschleistungs-Vergütungsforderung hat das Landgericht – zu Recht – auf die eigene Aufstellung der Beklagten (Bl. 146 AH I) vom 02.10.2018 (das Datum ist erwähnt im Schreiben vom 29.10.2018 Seite 2 – Bl. 129 AH I) abgestellt.
Diese Abrechnung – an der sich die Beklagte festhalten lassen muss – enthält die Aufstellung der gesamten, ihr gegenüber von der Klägerin berechneten Sonderwunschleistungen zugunsten der Wohnungserwerber in Höhe von ausgewiesenen 1.651.274,91 Euro (richtig: 1.651.274,93 Euro), wobei darin bereits ein Abzug der „Minderkosten Innenausbau E/F“ berücksichtigt sein soll.
Die Rechnungen der Klägerin über die Ausführung von Sonderwunschleistungen für Einzelerwerber datieren vom 11.07.2018 und finden sich auf Bl. 137 ff. AH I:
(1) Rechnung 4xxx00xx0 betreffend Mehrkosten WE 0.1, 1.1-1.4 und 2.1
Erwerber E (Bl. 137 AH I): 493.875,55 Euro
Abzüglich Zahlungen: – 291.274,27 Euro
Verbleibender Rest: 202.601,26 Euro
(2) Rechnung 4xxx00xx1 betreffend Mehrkosten WE 3.1 und 3.2 Erwerber
E (Bl. 138 AH I): 166.666,00 Euro
Abzüglich Zahlungen: 0,00 Euro
Noch offen: 166.666,00 Euro
(3) Rechnung 4xxx00xx2 betreffend Mehrkosten WE 2.3, 2.4 und 4.2
Erwerber G (Bl. 139 AH I): 584.579,17 Euro
Abzüglich Zahlungen: – 333.092,89 Euro
Verbleibender Rest: 251.486,26 Euro
(4) Rechnung 4xxx00xx3 betreffend Mehrkosten WE 0.2 und 0.3 Erwerber
H (Bl. 140 AH I): 297.944,00 Euro
Abzüglich Zahlungen: 0,00 Euro
Noch offen: 297.944,00 Euro
(5) Rechnung 4xxx00xx4 betreffend Mehrkosten WE 2.2 Erwerber
I (Bl. 141 AH I): 39.485,88 Euro
Abzüglich Zahlungen: 0,00 Euro
Noch offen: 39.485,88 Euro
(6) Rechnung 4xxx00xx5 betreffend Mehrkosten WE 4.1 Erwerber
F (Bl. 142 AH I): 68.724,33 Euro
Abzüglich Zahlungen: 0,00 Euro
Noch offen: 68.724,33 Euro
Hiernach ergeben sich folgende Gesamtbeträge der Sonderwunschrechnungsbeträge: 1.651.274,93 Euro
(Die Parteien gehen von 1.624.274,91 Euro aus.)
der Zahlungen der Beklagten: 624.367,16 Euro
(Die Parteien gehen von 624.367,18 Euro aus.) der noch offenen Vergütungsrestbeträge: 1.026.907,73 Euro
(Richtig wären es 1.026.907,77 Euro).
(4) Nebenforderungen (10 % des Vergütungsanspruchsrests): 151.133,77 Euro
Das Landgericht hat zugunsten der Klägerin ferner noch Nebenforderungen in Höhe von 10 % des Restvergütungsanspruchs berücksichtigt.
§ 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. ermöglicht eine solche Berücksichtigung von „10 % des zu sichernden Vergütungsanspruchs“, allerdings nur, sofern die Nebenforderungen (etwa: vertraglich geschuldete Zinsen o.ä.) dem Grunde nach tatsächlich bestehen (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl. 2016, § 648 a.F. Rn. 14 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/1246 S. 10, sowie 77. Aufl. 2018, § 650 f Rn. 14 und OLG Frankfurt BauR 2007, 1430).
Mit der Berufung werden gegen die Berechnung der Nebenkostenpauschale – außer dem hier als unbegründet anzusehenden Einwand der fehlenden Grundforderung – allerdings keine konkreten Einwendungen vorgetragen.
Die Pauschale ist dem Grundbetrag hinzuzurechnen (Palandt/Sprau, a.a.O.). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen.
(5) Abrechnung:
Der Vergütungsanspruch der Klägerin setzt sich danach wie folgt zusammen:
(1) Hauptauftrag:
vereinbarte Vergütung: 6.200.000,00 Euro – unstreitig
abzüglich Zahlungen: 5.649.000,00 Euro – unstreitig
abzüglich nicht anerkannte
Skontoabzüge: 66.570,00 Euro (lt. Aufstellung der Beklagten
vom 02.10.18 – Bl. 146 AH I)
Verbleibende Restforderung: 484.430,00 Euro
(2) Nachträge zum Hauptauftrag: 0,00 Euro
(3) Vergütung Sonderleistungen:
Vereinbarte Vergütung: 1.651.274,93 Euro (lt. Aufstellung der Beklagten vom 02.10.2018 – Bl. 146 AH I)
abzüglich Zahlungen: 624.367,16 Euro – unstreitig
verbleibende Restforderung: 1.026.907,77 Euro
Berechtigter Vergütungsanspruch: 1.511.337,77 Euro
(4) Nebenforderung
10 % des Vergütungsanspruchs: 151.133,78 Euro
Gesamtbetrag: 1.662.471,55 Euro
Zuerkannt sind demgegenüber: 1.662.471,53 Euro
2. Mängeleinwendungen:
Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zugrundeliegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers aufrechnen kann, da eine solche Aufrechenbarkeit mit dem Zweck des Sicherungsverlangens unvereinbar wäre, und zwar auch im Falle einer Vertragskündigung (BGH NZBau 2014, 343, 345 Rn. 28).
Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn die Gegenansprüche unstreitig oder festgestellt sind. Letzteres ist hier aber nicht der Fall.
Die von der Beklagten in den Raum gestellten Gegenforderungen sind schon nicht im Einzelnen dargelegt und weder unstreitig noch festgestellt.
3. Arglisteinwand (§ 242 BGB):
Auch insoweit ist dem Landgericht zu folgen:
Eine endgültige Ablehnung einer Mängelbeseitigung ist bislang nicht belegt. Das Schreiben der Klägerin vom 13.11.2018, welches in dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 14.11.2018 (Anlage B 5 – Bl. 162 AH I) erwähnt wird, ist nicht vorgelegt.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Formulierung „Ihrer endgültigen Verweigerung…“ um eine Wertung der Beklagten handelt, die jedoch für die Beurteilung allein nicht maßgeblich wäre.
Jedenfalls hat die Beklagte die ihr seitens der Klägerin zuvor gesetzte Frist zur Bestellung einer Sicherheit verstreichen lassen, weshalb der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich weiterer Mängelbeseitigung zustand, worauf das Landgericht weiter zu Recht abgestellt hat.
Die Berufung der Beklagten ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.662.471,53 Euro